Klimawandel

Ein letzter Kassandraruf

| 26. Oktober 2022
istock.com/thomas-bethge

Es gibt kein grünes Wachstum – helfen kann gegen den Klimawandel nur noch ein Pfadwechsel. Was das heißt, will keiner hören: eine weit reichende Deindustrialisierung sowie einen Abschied von globaler Mobilität und globalem Handel.

Im Dezember 2021 erschien der amerikanische Spielfilm Don´t Look Up von Regisseur Adam McKay. Auch wenn der Film als Komödie klassifiziert wird, gibt es wenig zu lachen. Vielmehr ist er streckenweise schwer erträglich, weil Kay ein gestochen scharfes Bild des absurden Zustands westlicher Gesellschaften zeichnet: ihrer öffentlichen Diskurse und vor allem ihrer Medien. Auf der Metaebene stellt der Film die Frage, mit welchen Themen wir uns als Gesellschaft beschäftigen, was wir wissen wollen, wovor wir Angst haben und was wir verdrängen. Der Kern der Geschichte, die erzählt wird, ist schnell erklärt:

Kate Dibiasky (Jennifer Lawrence), Doktorandin im Bereich Astronomie an der Michigan State University, entdeckt einen riesigen Kometen, der auf die Erde zurast. Ihr Professor, der Astronom Dr. Randall Mindy (Leonardo DiCaprio), berechnet, dass der Komet die Erde in sechs Monaten und vierzehn Tagen treffen und die gesamte Weltbevölkerung auslöschen wird. Die beiden Wissenschaftler gehen mit ihren Erkenntnissen an die Öffentlichkeit, um Bewusstsein für die drohende Katastrophe zu schaffen und die Gesellschaft zur Suche nach Lösungen zu bewegen.

Doch niemand interessiert sich für die Erkenntnisse der beiden Astronomen – ihr Wissen und ihre Belege werden nicht ernst genommen. In einer Talkshow, in der die Moderatoren Witze über den Kometeneinschlag machen, verliert Kate Dibiasky ob dieser Ignoranz die Fassung, wird laut, verlässt unter Tränen das Studio und wird in der Folge als verrückt abgestempelt. Später erleidet auch Dr. Randall Mindy einen Zusammenbruch vor laufenden Kameras, was medial ebenfalls ausgeschlachtet und Mindy fortan als Wirrkopf dargestellt wird.

Wie Öffentlichkeit und Medien auf die Kassandrarufe der beiden Wissenschaftler reagieren, wird im Film derart realitätsnah dargestellt, dass die Groteske nicht belustigend, sondern beklemmend ist. Die Politik (in Gestalt der amerikanischen Regierung) nimmt sich später aus wahltaktischen Gründen doch noch des Themas an, trifft aus »ökonomischen« Erwägungen heraus jedoch die falschen Entscheidungen und hält den Kometen nicht auf. Das Ende der Geschichte ist, dass die Menschheit durch den Kometeneinschlag ausgelöscht wird, weil niemand die unbequeme Wahrheit hören wollte.

„Wenn es wirklich so ernst wäre, würde uns jemand aufhalten“

Der britische Journalist George Monbiot, der eine wöchentliche Kolumne zu Umwelthemen im Guardian schreibt, hat das filmische Schicksal der Figuren Dibiasky und Mindy in der Realität durchlebt. Seit Jahren warnt er auf Basis gesicherter Umwelt- und Klimadaten vor dem drohenden Kollaps unserer Zivilisation, aber niemand hört ihm zu. Über den Film schrieb er im Guardian eine Kolumne mit dem Titel Watching Don’t Look Up made me see my whole life of campaigning flash before me. Im Untertitel schreibt Monbiot: “I’ve broken down on TV too, trying to explain the horror of the climate crisis to those who wield power and do nothing.” In der Sendung Good Morning Britain war er im November 2021 als Klimaexperte eingeladen und brach vor laufender Kamera in Tränen aus, weil niemand seine Warnungen ernst nimmt.

Don´t Look Up war zu diesem Zeitpunkt bereits im Kasten, jedoch noch nicht veröffentlicht, wodurch die Parallele beinahe gespenstisch anmutet. Der Film ist eben nicht nur Gesellschafts- und Mediensatire, sondern zugleich eine Prophezeiung. In einem hellsichtigen Artikel mit dem treffenden Titel Capitalism is killing the planet schreibt Monbiot:

"Wenn wir mit einer drohenden oder chronischen Bedrohung konfrontiert werden, wie etwa dem Klima oder dem ökologischen Zusammenbruch, scheinen wir alles zu tun, um unser Überleben zu riskieren. Wir überzeugen uns selbst davon, dass es nicht so ernst ist, oder dass es gar nicht passiert. Wir verdoppeln unsere Zerstörungswut, tauschen unsere normalen Autos gegen SUVs aus, jetten mit einem Langstreckenflug nach Oblivia und verbrennen alles in einem letzten Rausch. Im Hinterkopf flüstert uns eine Stimme zu: ‘Wenn es wirklich so ernst wäre, würde uns jemand aufhalten’."

David Gruber, Direktor des Naturmuseums Südtirol, sagte bereits 2020 in einem Interview, dass wir in Anbetracht von Artensterben und Klimawandel eigentlich alle in Panik verfallen sollten. Tun wir aber nicht – wir verdrängen die Realität in einem epischen Ausmaß. Die wissenschaftlichen Fakten liegen auf dem Tisch, aber wir kümmern uns nicht darum, wollen keine schlechten Nachrichten hören und befassen uns lieber mit mehr oder weniger unterhaltsamem Nonsens. »We just keep the bad news light«, antwortet die Talkshowmoderatorin Brie Evantee (Cate Blanchett) in Don´t Look Up auf die Frage der beiden Wissenschaftler, warum sie den Kometeneinschlag eigentlich nicht ernst nehme. Das ist eine bittersüße Persiflage auf unsere Medienlandschaft bzw. auf den Umgang der Massenmedien mit Klimawandel und Artensterben.

Selbst die düstersten Prognosen wurden spektakulär übertroffen

Das ist, was wir heute wissen: Die Vereinten Nationen haben sich auf das Erreichen des so genannten Zwei-Grad-Ziels geeinigt – das heißt, der Klimawandel soll bei zwei Grad gegenüber dem Referenzjahr 1800 gestoppt werden. Wenn wir das Zwei-Grad-Ziel nicht einhalten, wird der Klimawandel aufgrund von prognostizierten Kettenreaktionen (so genannte Kippelemente oder Tipping Points im Erdklimasystem) völlig unkontrollierbar. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir das Zwei-Grad-Ziel einhalten, wurde im Jahre 2017 noch auf 5 Prozent beziffert. Zu 95 Prozent, so die Prognosen eines 2017 in der Zeitschrift Nature erschienenen Artikels, steuern wir auf eine Erderwärmung zu, die zwischen 3,2 Grad und 4,9 Grad liegt. Großräumige Zivilisationen, so die Autoren, seien dann nicht mehr möglich.

Dem 2022 erschienenen sechsten IPCC-Sachstandsbericht zufolge wird das Zwei-Grad-Ziel nicht eingehalten (die Wahrscheinlichkeit ist mittlerweile auf etwa 0 Prozent gesunken) – im schlimmsten Falle droht laut IPCC-Bericht bis 2100 eine Erderwärmung um 3,3 bis 5,7 Grad. Die Erde wird mit 95prozentiger Wahrscheinlichkeit für den Menschen bis Ende des Jahrhunderts weitgehend unbewohnbar. Das sind wissenschaftlich gesicherte Daten, in deren Anbetracht wir tatsächlich in kollektive Panik verfallen sollten. Wir fahren aber lieber SUV. Oder wir glauben, dass Mülltrennung, Elektroautos und Bio-Avocados das Klima retten.

Die Marke von 1,5 Grad, deren Überschreitung noch vor wenigen Jahren als völlig ausgeschlossen galt, könnte nach aktuellem Wissensstand bereits 2026 überschritten werden. Das ist bezeichnend für den Klimadiskurs. Selbst die düstersten Prognosen der letzten 20 Jahre (die Worst-Case-Szenarien) wurden allesamt spektakulär übertroffen. Die Erderwärmung, das Abschmelzen der Gletscher, das Auftauen der Permafrostböden – alles vollzieht sich deutlich schneller als im schlimmsten Falle angenommen wurde. Der Klimawandel ist längst da, wir haben es nur noch nicht mitbekommen: Von den 19 wärmsten Jahren Deutschlands sind 14 in den vergangenen 20 Jahren gewesen (Stand 2022). Eine Studie des Institute for Economics and Peace rechnet aufgrund der rasanten Erderwärmung alleine bis 2050 mit einer Milliarde Klimaflüchtlingen. Da sind die Migrationsbewegungen der letzten Jahre ein laues Lüftchen dagegen.

Laut einer Studie der London School of Hygiene & Tropical Medicine (LSHTM) und der Universität Bern im Rahmen des Sonderforschungsbereichs Multi-Country Multi-City (MCC) ist mehr als ein Drittel der Hitzetoten aus den letzten drei Jahrzehnten durch den Klimawandel gestorben. Die WHO sieht den Klimawandel mittlerweile als „größte Gesundheitsbedrohung der Menschheit“ an und geht ab 2030 von jährlich 250.000 zusätzlichen Klima-Opfern aus (also Menschen, die durch die Folgen des Klimawandels sterben). Während viele Bürger den Klimawandel als abstrakte und zukünftige Bedrohung empfinden, mehren sich die Stimmen von besorgten Wissenschaftlern, die darauf hinweisen, dass der Klimakollaps längst begonnen hat.

Im Mai 2019 haben australische Wissenschaftler des Thinktanks Breakthrough - National Centre for Climate Restoration eine Studie veröffentlicht, in der sie das Ende der Zivilisation, wie wir sie kennen, bis Mitte des Jahrhunderts prognostizieren. Der Untergang der menschlichen Zivilisation in den kommenden Jahrzehnten sei „nahezu gewiss“, schreibt auch Paul Ehrlich, Professor für Biologie an der renommierten Stanford-Universität. Das sechste globale Massenaussterben sei bereits in vollem Gang. Die Folgen der Klimaveränderung haben Italiens Regierung dazu gezwungen, am 4. Juli 2022 aufgrund gravierender Trockenheit den Dürrenotstand auszurufen.

Selbst in Deutschland wird das Wasser knapp

Die 20 wärmsten Jahre weltweit sind in den vergangenen 22 Jahren registriert worden. Das weltweit wärmste Jahr seit Beginn der Messungen 1880 war das Jahr 2016. In Deutschland ist es seit 1880 bereits rund 1,6 Grad Celsius wärmer geworden. 2018, 2019 und 2020 waren in Deutschland (und weiteren Teilen Europas) so genannte Dürrejahre. Die Dürreperiode in diesem Zeitraum war laut Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)die heftigste seit mehr als 250 Jahren. Nach UFZ-Angaben betraf die Dürre 36 Prozent der Landfläche Europas, insbesondere in Zentraleuropa wie Deutschland, Frankreich und Tschechien. In Mitteleuropa, so das Ergebnis des Geoforschungszentrums in Potsdam, fehlte 2019 die gewaltige Menge von 145 Milliarden Tonnen Wasser. Es gibt Regionen in Deutschland, da müsste es über Wochen oder gar Monate ununterbrochen regnen, um das wieder aufzuholen.

Doch es gibt ein weiteres Problem: Ist ein Boden einmal ausgetrocknet, nimmt er kein Wasser mehr auf – egal, wie viel es regnet. Anfang 2020 waren weite Flächen der Deutschlandkarte tiefrot, die Signalfarbe für die höchste von fünf Trockenstufen. Die Journalisten Nick Reimer und Toralf Staud schreiben:

„In einer Bodentiefe bis zu 1,80 Metern war praktisch kein Wasser mehr vorhanden. Und das nach einem Winter – also jener Jahreszeit, während der hierzulande üblicherweise viel Niederschlag fällt und die Böden gründlich durchfeuchtet. Fast ganz Sachsen war betroffen, der Süden Brandenburgs, die Altmark, Niederbayern von Passau bis nach Ingolstadt, die Schwäbische Alb, das Weserbergland und die Ostseeküste rund um Usedom.“[1]

Hitze trocknet die Erde aus, wodurch sich ihre hydraulische Leitfähigkeit verliert. Der Boden ist dann wie imprägniert. Ausgedörrte Böden sind selbst nach starken Regengüssen staubtrocken, in die tieferen Schichten dringt der Regen nicht mehr vor. Wenn wenig Wasser im Boden ist, steht auch wenig zur Grundwasserneubildung bereit. Die Wasserversorgung in Deutschland basiert zu 70 Prozent auf Grundwasser, also Wasservorkommen, die in Tiefenschichten lagern. Wasserwerke dürfen in Deutschland nur so viel Grundwasser fördern, wie sich auf Dauer neu bildet. „Und da haben uns die jüngsten Sommer eine Gewissheit geraubt, die jahrzehntelang galt: dass es genügend Wasser für alle gebe“, so Reimer und Staud weiter.

In Deutschland kommt es immer öfter zu Wasser-Engpässen: Im Sommer 2018 wurde das Wasser in Teilen Bayerns knapp. In Kelkheim im Taunus musste die Feuerwehr Notschläuche legen, da die öffentlichen Wasserreserven erschöpft waren. Im Sommer 2019 wurden in mehreren Städten in Westfalen sowohl das Rasensprengen als auch das Autowaschen verboten. Im niedersächsischen Lauenau brach im Sommer 2020 die Wasserversorgung zeitweise zusammen. Die Feuerwehr musste durch den Ort fahren und Wasser in Eimern verteilen, damit zumindest die Toilette gespült werden konnte. Auch Gemeinden im Hochtaunuskreis, im Hunsrück und in Vorpommern mussten die Wassernutzung einschränken. Weite Teile Brandenburgs und Sachsen-Anhalts weisen bereits heute eine sogenannte „negative klimatische Wasserbilanz“ auf, was sich in den nächsten Jahren verschärfen wird. In Teilen Sachsen-Anhalts haben die Grundwasserpegel einen historischen Tiefstand erreicht. In den drei Dürrejahren gab es auch im Einzugsgebiet der Spree deutlich weniger Niederschlag – die Speicherbecken gaben immer weniger zur Regulierung her. Die Wassermengen, die die Länder Sachsen, Brandenburg und Berlin aus den Speicherbecken bekommen, sind in Verträgen fixiert, doch gab es insgesamt nicht genügend Wasser für alle. Zeitweise trafen sich Vertreter der Länder im Zwei-Wochen-Rhythmus, um jeweils kurzfristig neu zu entscheiden, wer wie viel Wasser bekommt. 2020 stand für Brandenburg nur ein Drittel der vereinbarten Menge zur Verfügung.

Deutschland wird sich zukünftig auf harte Nutzungskonflikte beim Wasser einrichten müssen, sagt Michael Ebling, Präsident des Verbandes Kommunaler Unternehmen. Auch wenn es für viele schwer vorstellbar scheint: Wasserknappheit ist längst nicht mehr nur ein Problem einiger Länder in der südlichen Hemisphäre. Das heißt nicht, dass sich die jährliche Niederschlagsmenge dauerhaft verringert, sondern dass der Niederschlag anders verteilt sein wird. Die Winter werden nasser, die Sommer trockener. Da wärmere Luft mehr Wasser aufnehmen kann, wird es vermehrt zu Starkregen kommen. Mehr Starkniederschläge bedeuten, dass auch die Trockenheit in Zukunft zunehmen und es längere Dürreperioden geben wird. Die Rechnung ist simpel: Fällt immer mehr Regen in kurzer Zeit und bleibt die Jahresgesamtmenge gleich, muss die Zahl der Tage steigen, an denen kein Tropfen fällt. Mehr Wasser an einzelnen Tagen bedeutet deshalb mehr Dürre insgesamt.[2]

Jetzt kommt, was keiner hören will

Der Mensch hat in den letzten 200 Jahren nicht nur das Klima maßgeblich verändert, sondern die Erde insgesamt. Hinsichtlich des Stickstoff- sowie des Phosphorhaushaltes sind die planetaren Grenzen bereits überschritten, ebenso hinsichtlich der genetischen Vielfalt, was „gravierende Folgen“ zeitigen wird. Jede Minute geht weltweit fruchtbarer Boden im Ausmaß von 30 Fußballfeldern verloren. Die Ozeane nehmen immer mehr Kohlenstoff auf und versauern. Über die Hälfte des verfügbaren Süßwassers wird von Menschen vernutzt. Die Stickstoffentnahme aus der Atmosphäre hat sich gegenüber der vorindustriellen Zeit um 347 Prozent erhöht. Das Artensterben hat sich seit Beginn der industriellen Revolution um den Faktor 100 erhöht – jährlich verschwinden knapp 60.000 Arten, viele davon aufgrund des Klimawandels. Nach Schätzungen des europäischen Parlaments landen jedes Jahr zwischen 4,8 und 12,7 Millionen Tonnen Plastikmüll im Meer. Insgesamt sind die Weltmeere mittlerweile mit etwa 150 Millionen Tonnen Plastikmüll belastet. Durch das Verschlucken von Kunststoffpartikeln lagern sich toxische Schadstoffe in den Organismen der Meerestiere an. Auch Menschen nehmen Plastik über die Nahrungskette zu sich. Das Plastik ist nicht nur karzinogen, sondern schädigt auch das Immunsystem, verändert die Hormone und sogar das Erbgut.

Das Volumen der Plastikverpackungen hat sich zwischen 1995 und 2019 in Deutschland mehr als verdoppelt – von 1,56 auf 3,2 Millionen Tonnen. Trotz aller Innovationen, trotz aller Effizienzsteigerungen, trotz aller Bemühungen durch nachhaltige Technologien den CO2-Ausstoß zu vermindern, steigt auch dieser weltweit jedes Jahr kontinuierlich an. Bis auf die Jahre 2009 und 2020. Im Jahr 2009 hat die Weltwirtschaftskrise für eine Senkung des CO2-Ausstoßes gesorgt, im Jahre 2020 war es die Pandemie. Die Vereinten Nationen haben die Studie Global Resources Outlook veröffentlicht, die den globalen Ressourcenverbrauch sowie die Umweltbelastung durch einzelne Ressourcen und Ressourcengruppen auflistet (bspw. Ökotoxizität, Humantoxizität, Luftverschmutzung und Beitrag zum Klimawandel). Ob globaler Wasserverbrauch oder Umweltschäden durch den Abbau und die Nutzung fossiler Brennstoffe, nicht-metallischer Mineralien, Metallproduktion oder Phosphatdünger – es ist immer die gleiche Entwicklung: Der Verbrauch sowie die Umweltbelastung jeder einzelnen der untersuchten Ressourcen wächst mit dem Wirtschaftswachstum seit der Jahrtausendwende Jahr für Jahr. Mit anderen Worten: Grünes Wachstum gibt es nicht.

Zu stoppen ist der Klimawandel laut Vereinten Nationen nur, wenn die Industrieländer ihre Treibhausgasemissionen um 95 Prozent gegenüber 1990 reduzieren. So steht es in der Klimarahmenkonvention (United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC), die Deutschland ratifiziert hat. Der Pro-Kopf-Verbrauch an CO2-Äquivalenten muss laut UNFCCC weltweit unter 2,5 Tonnen pro Jahr und Person sinken. Obgleich Deutschland sich verpflichtet hat, dieses Ziel einzuhalten, emittieren es derzeit durchschnittlich pro Jahr und Person über 10 Tonnen CO2- Äquivalente. Die erforderliche Reduktion, 95 Prozent bei der Produktion und 75 Prozent beim Konsum, wird aber nicht im Rahmen der gegenwärtigen Strukturen zu machen sein.

Da die empirischen Belege eine eindeutige Sprache sprechen und zeigen, dass es keine technischen Lösungen für die Nachhaltigkeitsprobleme und damit kein grünes Wachstum gibt, hilft nur noch ein Pfadwechsel. Jetzt kommt, was keiner hören will: Dieser Pfadwechsel beinhaltet eine weit reichende Deindustrialisierung, einen Abschied von globaler Mobilität und globalem Handel (in seiner heutigen Form), eine drastische Einschränkung des Marktprinzips, kleinteilige ökonomische Strukturen, regionale Wertschöpfungsketten und Subsistenzwirtschaften, eine Reduktion des Konsums auf ein global verträgliches Minimum, weniger Erwerbsarbeit, neue Formen des Arbeitens und der Organisationen. Wir sprechen also nicht über kleinere Korrekturen an unserer Ökonomie, sondern über eine völlig neue Gesellschafts- und Wirtschaftsform.

Die Menschen warten geradezu darauf, dass sie kollektiv gestoppt werden

Warum also bleibt die kollektive Panik aus? George Monbiots Antwort im eingangs zitierten Guardian-Artikel: In unserem Hinterkopf, da gibt es eine Stimme, die flüstert: „Wenn es wirklich so ernst wäre, würde uns doch jemand stoppen“. Darin liegt die Antwort. Ein Wandel ist nur zu schaffen, wenn uns endlich jemand stoppt. Dieser jemand kann nur ein Staat sein.

Damit drastische Einschränkungen akzeptiert werden, müssen sie kollektiv geschehen und alle gleichermaßen treffen. Individueller Verzicht funktioniert nicht, da Konsum keine individuelle Wahlhandlung ist, sondern soziale Muster aufweist. Individuelles Konsumverhalten ist durch gesellschaftliche Strukturen geprägt. Erst wenn dieser „systemische« Charakter“ der Konsummuster ins Blickfeld gerät, zeigen sich Ansatzpunkte für einen Wandel. Es ist empirisch belegt, dass das ökologische Problembewusstsein kaum Einfluss auf das Konsumverhalten der Menschen hat, sich aber erheblich auf die Akzeptanz politischer Maßnahmen auswirkt, die kollektiven Verzicht bedeuten. Die Menschen warten geradezu darauf, dass sie kollektiv gestoppt werden. Der Pfadwechsel kann nur auf politischer Ebene eingeleitet werden.

Der Film Don´t Look Up endet damit, dass Kate Dibiasky, Dr. Randall Mindy und seine Familie gemeinsam am Tisch sitzen und ein letztes Mal gemeinsam essen, wissend dass in den nächsten Minuten der Komet auf die Erde treffen wird. Dr. Randall Mindy sitzt nachdenklich am Tisch und sagt nach kurzer Überlegung zu den anderen: „Es ist doch im Grunde so: Wir hatten alles, was man sich wünschen kann, oder? Ich meine, wenn man darüber nachdenkt.“ Sekunden später schlägt der Komet ein und nichts bleibt.

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[1] Nick Reimer und Toralf Staud, Abgesoffen und ausgedörrt – Wie Wasser in Deutschland zum umkämpften Gut wird, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 07/2021
[2] Vgl. ebd.