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Rentenkommission in Berlin – verschiedene Konzepte, großer Streit

| 10. Dezember 2025
Arbeitsministerin Bärbel Bas (IMAGO / Achille Abboud)

Neue Rentenmodelle im Gespräch: 45 Beitragsjahre, höhere Rentenbeiträge, Beamte im System und Debatten über die Rente mit 70. Bis 2026 soll die Rentenkommission entscheiden.

In Berlin hat die Debatte über eine grundlegende Rentenreform Fahrt aufgenommen. Nach dem jüngsten Rentenpaket, mit dem das Rentenniveau bis 2031 stabilisiert wurde, soll nun eine Rentenk­ommission Reformvorschläge erarbeiten, die bis Mitte 2026 in ein Gesetzgebungsverfahren münden sollen. Die Kommission, die noch im Dezember eingesetzt wird, soll aus Wissenschaftlerinnen, Politikern und Vertreterinnen der jüngeren Generation bestehen und das gesamte System der Altersvorsorge in den Blick nehmen – gesetzliche, betriebliche und private Komponenten.

Die Debatte um Reformmodelle ist breit und kontrovers. Ein zentraler Vorschlag zielt auf eine Kopplung des Renteneintrittsalters an die Anzahl geleisteter Beitragsjahre, statt an ein fixes Alter. Nach dem Modell von Jens Südekum würden etwa 45 Beitragsjahre den Anspruch auf volle Rente begründen, unabhängig vom Geburtsjahr oder dem genauen Alter. Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) bezeichnete diesen Ansatz als „gerechter“, da er tatsächliche Lebensarbeitszeiten widerspiegle. Auch Kanzler Friedrich Merz (CDU) hält den Vorschlag für „erwägenswert“.

Kritiker sehen dabei allerdings Risiken: Ökonomin Silke Übelmesser warnt, dass Menschen mit Unterbrechungen im Erwerbsleben – etwa durch Krankheit, Pflege oder Familienarbeit – benachteiligt würden und insbesondere Frauen schlechter gestellt sein könnten. Akademiker mit langen Ausbildungszeiten könnten ebenfalls Nachteile erleiden.

Ein zweiter Ansatz betrifft die Einbeziehung weiterer Gruppen in das gesetzliche System. SPD-Vorsitzende Bas plädiert dafür, Beamte, Selbstständige und Abgeordnete stärker in die Rentenversicherung einzubinden, um die Einnahmebasis zu verbreitern. Diese Idee findet teils Unterstützung, wird aber auch als „Zwangs-Einheitsversicherung“ kritisiert – insbesondere von der CSU, die eine „Enteignung der Mittelschicht“ durch zusätzliche Sozialabgaben auf Dividenden fürchtet.

Diskutiert wird zudem eine Anhebung des Renteneintrittsalters, etwa auf 70 Jahre, gekoppelt an die gestiegene Lebenserwartung. CDU-Politiker und liberale Ökonomen argumentieren, längeres Arbeiten sei angesichts steigender Lebenserwartung realistisch und nötig, um das System nachhaltig zu halten.

Parallel dazu wird über weitergehende Modelle gesprochen, etwa ein Mehr-Säulen-Modell, das Elemente kapitalgedeckter Altersvorsorge einbezieht. Solche Ansätze könnten zusätzliche Einnahmen generieren, bergen aber das Risiko von Markt- und Konjunkturschwankungen, die die Stabilität der Altersvorsorge beeinträchtigen könnten.

Politisch ist die Diskussion kein reiner Expertendiskurs: Innerhalb der Union gab es bereits offenen Widerstand gegen das zunächst beschlossene Rentenpaket, weil jüngere Abgeordnete auf die angeblichen Kosten für künftige Generationen hinwiesen. Auch Wirtschaftsverbände und Teile der Unternehmenswelt warnen vor steigenden Beiträgen und Belastungen der Wettbewerbsfähigkeit, während SPD und Gewerkschaften Kürzungen am bestehenden System ablehnen.

Ein zentraler Aspekt bleibt in der politischen Debatte bislang weitgehend unberücksichtigt: die Rolle der Produktivität für die Finanzierung der gesetzlichen Rente. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich das Lohnniveau vieler Beschäftigtengruppen von der gesamtwirtschaftlichen Produktivität entkoppelt. Dadurch wuchsen die Beitragseinnahmen deutlich langsamer als die reale Wirtschaftsleistung. Hätten sich Löhne und Produktivität parallel entwickelt, wäre die Finanzierungsbasis des Umlagesystems heute breiter, und der Streit über steigende Beitragssätze oder längere Lebensarbeitszeiten würde sich weniger zugespitzt darstellen. Die Kommission wird daher auch untersuchen müssen, welche strukturellen Faktoren jenseits der Demografie die langfristige Stabilität der Rentenversicherung beeinflussen.