EU

Individuelle Rechte statt gemeinsamer Sozialpolitik?

| 21. Mai 2017
istock.com/Croc80

Paradoxerweise kann ein Mehr an europäischen sozialen Rechten die soziale Praxis unter Druck setzen, statt sie zu schützen.

Wir haben bereits mehrfach über die Ende April dieses Jahres veröffentlichten Vorschläge der Kommission für ein sozialeres Europa berichtet (unter anderem hier und hier). Für die Leserinnen und Leser, die zum ersten Mal mit dem Thema in Berührung kommen: Die Kommission präsentierte --

  1. einen überarbeiteten Entwurf einer „Europäischen Säule sozialer Rechte“. Dabei handelt es sich um eine Sammlung von 20 Grundsätzen, auf die sich die Mitglieder der Eurozone verbindlich und die übrigen EU-Länder auf freiwilliger Basis verpflichten sollen.
  2. vier Begleitinitiativen zu Detailfragen, aus denen insbesondere die Ankündigung einer neuen Elterngeld-Richtlinie hervorsticht.

Einig waren sich die Kommentatoren darin, dass die Begleitinitiativen hinter den zuvor geschürten Erwartungen zurückbleiben. Kritisiert wurde unter den Befürworten von mehr europäischer Sozialpolitik zudem, dass die 20 Grundsätze der „Europäischen Säule“ zwar in aller Regel in eine gute Richtung gehen, aber unkonkret und nicht erkennbar mit politischen Vorhaben verknüpft sind. Unterschiedliche Einschätzungen waren seit Ende April darüber zu vernehmen, ob und in wieweit die Kommission für das Fehlen eines visionären europäischen Harmonisierungsprojekts verantwortlich zu machen und entsprechend zu kritisieren ist. An verschiedenen Stellen habe ich in den vergangenen Jahren die Position vertreten, dass man die Kommission für ihre forsche Handhabung des europäischen Wettbewerbsrechts und der europäischen Grundfreiheiten gar nicht genug kritisieren kann (die so genannte „negative“ Integration, vgl. etwa zum Vorgehen der Kommission im Konflikt um die deutsche Mitbestimmung hier und hier). Dass aber ein großer Wurf europäischer Sozialpolitik derzeit kaum durchsetzbar wäre (die so genannte „positive“, auf europäischer Ebene gestaltende Integration), liegt an der politökonomischen Heterogenität der EU-28 (auch der baldige Übergang zur EU-27 wird hieran nichts ändern) und an der Nord-Süd-Spaltung der Eurozone, für die die Kommission nicht verantwortlich gemacht werden kann. Wer sich über diese Dinge bei der Kommission beschwerte, hätte sich in der Adresse geirrt.

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