Bildung im Namen der marktkonformen Demokratie
In 14 von 16 Bundesländern ist ein Schulbuch Grundlage des Wirtschaftsunterrichts, dass sich wie eine 500-seitige Broschüre der „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ liest: „Wirtschaft für die Sekundarstufe II“.
Die deutschen Schüler kommen am Thema Wirtschaft nicht mehr vorbei: In Baden-Württemberg wurde im Schuljahr 2016/2017 Wirtschaft als eigenständiges Pflichtfach an allen Gymnasien, Real- und Gemeinschaftsschulen eingeführt. Auch in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen ist Wirtschaft mittlerweile ein eigenständiges Pflichtfach und Sachsen folgt im Schuljahr 2026/27. In den übrigen Bundesländern ist Wirtschaft ein Wahlpflichtfach oder in Fächer wie Politik respektive Sozialkunde integriert.
In 14 von 16 Bundesländern ist das Lehrbuch Wirtschaft für die Sekundarstufe II für den Unterricht zugelassen. Dr. Philippe Kersting, ein besorgter Gymnasiallehrer aus Baden-Württemberg, dem das Schulbuch voreingenommen und ideologisch einseitig erschien, bat eine Reihe heterodoxer Wirtschaftswissenschaftler, sich kritisch mit dem Buch auseinanderzusetzen und die Inhalte qualifiziert einzuschätzen. Daraus entstand die Podcastreihe Plurale Perspektiven im Wirtschaftsunterricht, die mittlerweile 23 Folgen umfasst.
Die Idee, Wirtschaft zu einem eigenständigen Pflichtfach in der Schule zu machen, ist in modernen Gesellschaften, in denen alle Lebensbereiche zunehmend ökonomisiert, also vom ökonomischen Logos bestimmt sind, und die ökonomischen Verhältnisse über ein gelingendes Leben entscheiden, durchaus nachvollziehbar. Im besten Falle könnte die ökonomische Bildung im Jugendalter dazu beitragen, eine differenzierte, kritische, plurale Sicht auf unsere wirtschaftlichen Verhältnisse und ihre Grundlagen zu entwickeln. Das könnte dazu führen, dass die Schule eine große Zahl reflektierter und mündiger junger Menschen hervorbringt, die wirtschaftspolitische Fragen kritisch einordnen können.
Das Schulbuch ist jedoch zu einem Paradebeispiel einseitiger politischer Meinungsbildung geraten, die sich nicht als solche zu erkennen gibt. Lehr- und erkenntnisreich ist in vielen Buchkapiteln nicht nur, was gesagt wird, sondern auch, was explizit nicht gesagt wird. Das Schulbuch, das seine konsequente Affirmativität nur halbherzig zu kaschieren versucht, besteht aus der neoklassischen ökonomischen Theorie, deren politische Manifestation der Neoliberalismus ist. Zum Zusammenhang von Neoklassik und Neoliberalismus schrieb ich bereits auf MAKROSKOP.
Wie eine Broschüre der „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“
Da ich mir den Ruf eines kritischen Betriebswirts erarbeitet habe, bat mich Dr. Philippe Kersting, den Teil des Buches zu analysieren, der sich mit den „Grundlagen der Betriebswirtschaft“ befasst. Dass es sich lesen würde wie eine 500-seitige Broschüre der „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“, darauf war ich nicht gefasst. In der Folge werden einige Punkte herausgearbeitet, die exemplarisch zeigen sollen, wie das Buch systematisch neoklassische Dogmen und neoliberale Weltanschauungen vermittelt, ohne diese als solche kenntlich zu machen.
Das Schulbuch teilt zunächst ein grundlegendes Problem mit den BWL-Lehrbüchern, die an den deutschen Hochschulen eingesetzt werden: Es wird stillschweigend so getan, als gäbe es nur eine Betriebswirtschaftslehre, was falsch ist. Die Mainstream-BWL ist seit Mitte des 20. Jahrhunderts die Neoklassik, wichtigster Vertreter und Autor des meistverkauften BWL-Lehrbuchs der Welt, das auch in Deutschland an allen Universitäten eingesetzt wird, ist Günter Wöhe (das Buch wird auch „Der Wöhe“ genannt).
Den Schülern und Studierenden wird jedoch nicht gesagt, dass das, was ihnen beigebracht wird, nur eine von vielen Theorieschulen ist (die neoklassische BWL) und andere Denkschulen wie die entscheidungsorientierte BWL, die verhaltenstheoretische BWL, die ökologisch orientierte BWL oder die arbeitsorientierte Einzelwirtschaftslehre ignoriert werden. Das ist ungefähr so, als wenn im Fach Philosophie das Werk von Hegel als die Philosophie behandelt würde, ohne zu erwähnen, dass Hegel Vertreter des Deutschen Idealismus ist und es unzählige andere Philosophen und Denkschulen gibt.
Das zentrale Paradigma des neoklassischen Programms der Betriebswirtschaftslehre ist das ökonomische Prinzip, das sich im Axiom der Gewinnmaximierung widerspiegelt. Dieses Axiom, für das auch der Begriff Shareholder Value-Ansatz verwendet wird, besagt, dass der maximale Gewinn als oberstes Unternehmensziel anzusehen ist.
Auf MAKROSKOP schrieb ich bereits darüber, dass die Gewinnmaximierung der Ursprung allen (betriebswirtschaftlichen) Übels ist. Egal ob Mitarbeiter ausgebeutet oder entlassen, die Ökosysteme geschädigt, Lieferanten unter Druck gesetzt oder Kunden gesundheitlich gefährdet werden, stets dienen derlei Geschäftspraktiken nur einem Ziel: der Gewinnmaximierung. Im Schulbuch wird weder darauf eingegangen, dass hier eine rein profitorientierte BWL vertreten wird, noch darauf, dass die Profitgetriebenheit der Unternehmen die Hauptursache für die Ausbeutung von Mensch und Natur ist. Wir kommen im zweiten Teil des Beitrages darauf zurück.
Verlassen wir die Metaebene und schauen uns einige konkrete Aussagen an, die sich im Teil „Grundlagen der Betriebswirtschaft“ (Kapitel 5 und 6) finden. Zu Beginn von Kapitel 5 (S.170) findet sich folgende unscheinbare Formulierung: „In der Marktwirtschaft produzieren private Unternehmen.“ Das ist deshalb bemerkenswert, weil der Begriff Betriebswirtschaftslehre Anfang des 20. Jahrhunderts überhaupt nur eingeführt wurde, um sich von der sogenannten Privatwirtschaftslehre, der der Vorwurf einer reinen Profitlehre anhaftete, abzugrenzen, mit dem Anspruch, alle Betriebsformen abzubilden, nicht nur die privaten, profitgetriebenen Unternehmen.
Die Verkürzung der ökonomischen Realität auf den privaten Betrieb
Wenn das „Erfahrungsobjekt“ (Wöhe) der im Schulbuch vertretenen Theorie nun aber auf private Unternehmen reduziert wird, ist der Begriff „Betriebswirtschaft“ eine bewusste Irreführung, die keine Marginalie ist. Die Verkürzung der marktwirtschaftlichen Realität auf private Betriebe dient dem Zweck, so zu tun, als würden alle Unternehmen nach maximalem Gewinn streben, wodurch das ökonomische Prinzip einer natürlichen Ordnung zu folgen scheint und alternativlos wirkt. Private Unternehmen streben nach maximalem Gewinn, in der Marktwirtschaft gibt es nur private Unternehmen, ergo streben alle Unternehmen in der Marktwirtschaft nach dem maximalen Gewinn. Dieser Syllogismus dient der Legitimierung der Gewinnmaximierung als einzig möglichem und sinnvollem Unternehmensziel.
In der ökonomischen Praxis finden sich jedoch vielfältige Betriebsformen, die nicht profitorientiert, sondern sachziel- respektive versorgungsorientiert wirtschaften. Dazu gehören neben kommunalen Unternehmen auch Genossenschaften, Kollektive, Stiftungsunternehmen, gemeinnützige Stiftungen, Bürgeraktiengesellschaften, SoLaWis (Solidarische Landwirtschaften) und Rechtsformen wie die gGmbH (gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung).
Würde die BWL, die im Schulbuch vertreten wird, die zahlreich vorfindbaren sachzielorientierten Betriebsformen berücksichtigen und wäre also eine echte Betriebswirtschaftslehre und keine reine Privatwirtschaftslehre, ließen sich die meisten Thesen, die im Fortgang des Buches entwickelt werden, nicht halten. Es braucht die Verkürzung der ökonomischen Realität auf den privaten Betrieb, um ein geschlossenes Theoriegebäude zu entwickeln, das die Gewinnmaximierung in all ihren Facetten legitimiert und alle anderen betriebswirtschaftlichen Rationalitäten und Logiken ausklammert.
In den letzten 15 Jahren war ich an zahlreichen Forschungsprojekten beteiligt, deren Untersuchungsgegenstand klassische mittelständische Unternehmen waren. Ich habe in all diesen Projekten keinen einzigen Unternehmer kennengelernt, dessen Ziel der maximale (monetäre) Gewinn war. Es geht vielen Mittelständlern um Sinnstiftung, gute Arbeit, hochwertige Produkte, Erhalt des Handwerks, Gemeinschaft, Gemeinwohl, Regionalentwicklung, Nachhaltigkeit, Generationengerechtigkeit usw. Solche als Sachziele oder Stakeholder Value bezeichneten Zielsetzungen schließen die Maximierung des monetären Gewinns aus, weil ihre Erreichung sowie die Besserstellung der Stakeholder in der Regel immer Geld kostet und den Gewinn schmälert, worauf im zweiten Teil des Artikels noch eingegangen wird.
Unternehmen erwirtschaften Gewinne, um Güter zu produzieren
Auf Seite 183 ist, ganz im Geiste des bereits Beschriebenen, folgendes zu lesen: „Unternehmen produzieren Güter, um Gewinne zu erwirtschaften.“ Erneut ein unscheinbarer Satz, der erst bei genauerer Betrachtung beginnt, Bände zu sprechen. Der Satz wiegt umso schwerer, als er in der Kategorie „Orientierungswissen“ zu finden ist, in der das wichtigste Wissen des jeweiligen Kapitels für die Schüler zusammengefasst ist. Wilhelm Rieger, einer der Begründer der oben erwähnten – aufgrund ihrer reinen Profitorientierung in Verruf geratenen – Privatwirtschaftslehre, schrieb 1928: „Die Unternehmung ist eine Veranstaltung zur Erzielung von Geldeinkommen – hier Gewinn genannt – durch Betätigung im Wirtschaftsleben.“
Das Schulbuch übernimmt unreflektiert diese 100 Jahre alte Argumentation (gegen die sich die BWL ja gerade abgrenzen wollte) und mit ihr einen fundamentalen Irrtum: Es wird suggeriert, der Zweck der Einzelwirtschaft sei die Gewinnerzielung, die Güter das Mittel hierfür. Christian Felber, Initiator der Gemeinwohlökonomie, betont, dass in dieser Argumentation konsequent Mittel und Zweck vertauscht werden. Der Zweck der Unternehmen ist nach dieser Lesart die Produktion von Gütern mit dem Ziel der gesellschaftlichen Versorgung. Das Geldverdienen ist das Mittel, um diesem Zweck dienen zu können. Diese Sicht findet sich nicht nur in der Gemeinwohlökonomie, sondern auch in betriebswirtschaftlichen Denkschulen wie der arbeitsorientierten Einzelwirtschaftslehre und der ökologisch orientierten BWL, die im Schulbuch ignoriert werden. Der Satz im Schulbuch müsste nach diesen Theorien lauten: Unternehmen erwirtschaften Gewinne, um Güter produzieren zu können.
Das macht einen Riesenunterschied. Wenn der Gewinn der Zweck und das Produkt das Mittel ist, wie das Schulbuch im Geiste der neoklassischen Theorie argumentiert, ist es, wenn man es weiterdenkt, völlig egal, was ich den Leuten verkaufe. Es ist irrelevant, ob ein Produkt gesellschaftlich sinnvoll ist, einen hohen Nutzen und eine hohe Qualität hat, langlebig und umweltfreundlich oder unter menschenwürdigen Bedingungen hergestellt wurde. Hauptsache, es verkauft sich und erzielt einen möglichst hohen Gewinn. Diese Überhöhung des Gewinnprinzips nennt der Wirtschaftsethiker Ulrich Thielemann „Rentabilitätsextremismus“. Den betriebswirtschaftlichen Logos dahinter bringt er mit einem Zitat von Max Frisch entlarvend auf den Punkt: Vernünftig ist, was rentiert.
Wenn man umgekehrt sagt, der Gewinn ist das Mittel und das Gemeinwohl (durch Produktion) der Zweck, dann rücken plötzlich ganz andere Fragestellungen in den Mittelpunkt der unternehmerischen Überlegungen: Fragen nach der Sinnhaftigkeit, nach Wohlstand, Lebensqualität, Dauerhaftigkeit, langfristiger Versorgung, Ressourcenschonung und vieles mehr. Inhaltliche Auseinandersetzungen dieser Art, die in einem Schulbuch über Wirtschaft eigentlich obligatorisch sein sollten, fehlen vollständig – was, dies ergibt sich spätestens aus dem Gesamteindruck des Buches, kein Versehen ist.
Schadet Klimaschutz dem Gemeinwohl?
In Kapitel 5 (S.173) findet sich ein weiteres Beispiel, das exemplarisch für die Arbeitsweise des Buches steht. Es ist unkommentiert ein extrem tendenziöser FAZ-Artikel abgedruckt, dessen Essenz ist, dass Klimaziele und CO2-Grenzwerte Arbeitsplätze und damit Wohlstand vernichten. Dieser Artikel wird in keinerlei wie auch immer gearteten Kontext gestellt. Klimaschutz schadet dem Gemeinwohl. Keine Einordnung, keine Reflexion, kein Abwägen, keine ergänzenden oder alternativen Standpunkte.
Ein Kontext könnte sein, dass der Klimawandel uns schon heute (in Form von Dürreperioden, Ernteausfällen, Unwetter- und Hochwasserschäden) Unsummen an Geld kostet (vgl. eine Studie vom Bundesumweltministerium) und in Zukunft noch mehr Geld kosten wird. Ein anderer Kontext könnte sein, dass durch Investitionen in Klimaschutz, klimafreundliche Geschäftsmodelle und regenerative Energien neue Arbeitsplätze entstehen können. Ein weiterer Kontext könnte sein, dass private Unternehmen durch ihre Wertschöpfung externe Kosten verursachen, für die die Gesellschaft aufkommt und den Wohlstand vermindern. Und noch einmal ein anderer Kontext könnte sein, dass jede Schädigung der Ökosysteme und jeder Verlust an Naturkapital gleichbedeutend ist mit einem Verlust an gesellschaftlichem Wohlstand.
Indem das Schulbuch einen Artikel mit einer arbeitgeberfreundlichen Lobby-Perspektive verwendet, der nicht kommentiert wird, wird den Schülern suggeriert, dass dies die einzige Perspektive ist, die man auf dieses Thema haben kann. Wieder ist bemerkenswert, was das Buch an vielen Stellen nicht sagt und gerade dadurch die Wahrnehmung gezielt eindimensional formt.
Das Schulbuch ist zudem durchzogen von apodiktischen Formulierungen, die klingen, als seien sie mit absoluter Gewissheit zutreffend und unumstößlich. Um zu erkennen, dass es sich hier jedoch nicht um logisch zwingende, allgemeingültige Wahrheiten, sondern lediglich um Behauptungen handelt, die unsere Wahrnehmung lenken sollen, muss man sich intensiv damit auseinandersetzen. Das kann von Schülern der Sekundarstufe nicht erwartet werden.
Stellvertretend für die Apodiktik vieler Formulierungen steht folgende Aussage (S.190): „Selbständige Unternehmen tragen zur Stabilität unserer demokratischen Gesellschaftsordnung bei.“ Diese Aussage steht ganz in der Tradition der neoliberalen Theorie, die maßgeblich durch Milton Friedman geprägt wurde. „Selbstständige Unternehmen“ ist an dieser Stelle nichts anderes als eine Chiffre für den „freien Markt“ oder den „Wettbewerbs-Kapitalismus“ (wie Friedman es nannte). Die „demokratische Gesellschaftsordnung“ steht sinnbildlich für politische Freiheit (als Antipode zur Diktatur). In Milton Friedmans Hauptwerk Kapitalismus und Freiheit klingt der Zusammenhang, den das Buch herstellt, folgendermaßen:
„Die wirtschaftliche Organisationsform, die unmittelbar für wirtschaftliche Freiheit sorgt, nämlich der Wettbewerbs-Kapitalismus, sorgt auch für politische Freiheit (…). Aus der Geschichte wird ganz evident, wie die politische Freiheit und der freie Markt zusammen-hängen. Ich kenne kein Beispiel, wo es eine Gesellschaft gegeben hat, in der es ein hohes Maß an politischer Freiheit gab und wo nicht zugleich etwas existierte, das mit freien Märkten vergleichbar gewesen wäre.“
Wenn man genau hinsieht, ist diese Argumentation unpräzise und irreführend. Der Kunstgriff Friedmans liegt hierin: Er schreibt bewusst und explizit nicht, dass der freie Markt in der Geschichte stets mit politischer Freiheit einherging, weil er natürlich weiß, dass Diktatur und freier Markt ganz wunderbar harmonieren. Der freie Markt verträgt sich mit Diktatur genau so gut wie mit Demokratie und ist keineswegs ein Garant für politische Freiheit. Indem er die Kausalität umdreht und schreibt, dass beim Vorhandensein von politischer Freiheit auch freie Märkte existierten, erzeugt Friedman jedoch den Anschein einer Bedingtheit von freiem Markt und politischer Freiheit, die es de facto nicht gibt. Friedman hatte, wie wir heute wissen, ohnehin keine Berührungsängste mit Diktatur und Repression wie sich bei seiner Zusammenarbeit mit Augusto Pinochet offenbarte.
Das Schulbuch übernimmt die neoliberale Argumentation und damit eine suggestive und irreführende Aussage über die politische und gesellschaftliche Bedeutung des freien Unternehmertums.
Selbständige Unternehmen tragen, entgegen der Schulbuchthese, keineswegs zur Stabilität der demokratischen Gesellschaftsordnung bei und verhindern keineswegs Diktaturen. Die Ökonomien in Spanien unter Francisco Franco, im Iran unter Mohammad Reza Pahlavi, in Uganda unter Idi Amin, in Chile unter Augusto Pinochet, im Irak unter Saddam Hussein, in Syrien unter Baschar al-Assad (um nur einige zu nennen) waren allesamt marktwirtschaftlich organisiert. In all diesen Diktaturen gab es selbstständige Unternehmen, Wettbewerb, Austausch am Markt, Im- und Export, ergo: Marktwirtschaft.
Das gleiche gilt im Übrigen für das dritte Reich: Die Ökonomie im dritten Reich war eine marktwirtschaftlich kapitalistische mit selbstständigen Unternehmen und keine Planwirtschaft (auf MAKROSKOP schrieb ich darüber). Die Aussage „Selbständige Unternehmen tragen zur Stabilität unserer demokratischen Gesellschaftsordnung bei“ dient dem Zweck, im Geiste des Neoliberalismus das freie Unternehmertum und damit den freien Markt zu Garanten für Freiheit und Demokratie zu verklären und damit unausgesprochen alles zu diskreditieren, was nach staatlichen Interventionen riecht.
Was das Buch hier wiederum unerwähnt lässt, ist, dass die Demokratie heute durch die sogenannte Korporatokratie, also die Macht und politische Einflussnahme von selbstständigen Unternehmen bedroht ist: nämlich durch die transnationalen Konzerne. Die NGO Global Justice Now hat vorgerechnet, dass im Jahre 2024 69 der 100 größten Wirtschaftseinheiten der Welt Unternehmen waren und nur 31 Staaten. Über zwei Drittel der größten und mächtigsten Wirtschaftseinheiten der Welt sind heute transnationale Konzerne, die mit ihrer Lobbymacht politisch Einfluss nehmen und die „demokratische Gesellschaftsordnung“ untergraben.
Problematisch an allen gezeigten Beispielen ist, dass die Schüler nicht wissen und es ihnen nicht erklärt wird, dass hier eine bestimmte ökonomische Ideologie vertreten wird, die sich durch Marktgläubigkeit und Staatsskeptizismus auszeichnet und ohne weiteres als Marktfundamentalismus bezeichnet werden kann. Was sich auf der Makroebene im Glauben an Deregulierung und der Ablehnung staatlicher Eingriffe ausdrückt, manifestiert sich auf betriebswirtschaftlicher Ebene in der Verkürzung auf private Unternehmen, deren Zweck die Profitmaximierung ist.
Im zweiten und letzten Teil dieses Beitrages wird auf Kapitel 6 des Buches „Wirtschaft für die Sekundarstufe II“ eingegangen, in dem unter anderem die These vertreten wird, die Rentabilität von Unternehmen sei wichtiger als ihre Gesetzestreue.