Editorial

Der Bas-Plan mit den Beamten: Eine gute Idee?

| 22. Mai 2025
IMAGO / Michael Gstettenbauer

Liebe Leserinnen und Leser,

geht es nach der neuen Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas, sollten auch Beamte zukünftig in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. Mit diesem Vorstoß hat die Sozialdemokratin eine Debatte über die Zukunft des deutschen Rentensystems angestoßen. Wenig überraschend haben CDU und CSU als auch der Deutsche Beamtenbund den Vorschlag, der sich im Übrigen nicht im Koalitionsvertrag findet, zurückgewiesen.

Doch geht es hier nur um Gerechtigkeit, um eine legitime Frage der Solidarität? Oder könnte eine Aufnahme der Beamten in die gesetzliche Rentenversicherung diese auch finanziell stabilisieren, wie es sich Bas offenbar erhofft?

Die meisten Experten äußern sich skeptisch, so etwa der Ökonom Axel Börsch-Supan: Die gesetzliche Rentenversicherung (GRV) bekomme „teurere“ Rentner, was die Beiträge langfristig ansteigen ließe, sagt er. Solange man an den Pensionsansprüchen selbst nichts ändere, handele es sich nur um einen Verschiebebahnhof zwischen GRV und Bund/Ländern. Ergo: Der Vorschlag von Bas habe „mit nachhaltiger Ökonomie wenig zu tun“. Auch der Beamtenbund geht davon aus, dass die Abschaffung der Beamtenprivilegien den Staat teuer zu stehen kommt, weil er neben den bestehenden Pensionsansprüchen auch die dann anfallenden Sozialversicherungsabgaben für die nachwachsenden Beamten zahlen müsste.

Unser Gesundheits- und Rentenexperte Hartmut Reiners widerspricht: Diese Doppelbelastung sinke in dem Maß, wie die Zahl der pensionsberechtigten Beamten abnimmt. Langfristig werde der Staatshaushalt deutlich entlastet. Die Reform der Alterssicherung von Beamten wäre sowohl aus ökonomischer als auch sozialer Perspektive absolut sinnvoll. Reiners verweist auf das Beispiel Österreich: Dort ist die Einbindung der Beamten in das allgemeine Sozialversicherungssystem mittlerweile abgeschlossen. Tatsächlich liegt durch diese und andere Maßnahmen das Niveau der gesetzlichen Rente in Österreich deutlich höher als in Deutschland.

Auch der Sozial- und Bildungsökonom Gerd Grözinger sieht in dem Vorstoß von Bas durchaus Potential: Die Aufnahme von Beamten und Selbständigen in die Rentenversicherung könne eine größere und jahrzehntelange Finanzspritze für die GRV bedeuteten, so Grözinger in dieser Ausgabe. Vorrausgesetzt, in die DRV werden allein zusätzlich Neu-Beamte und Neu-Selbständige – im Regelfall also die Berufsanfänger – aufgenommen. Bei 45 Jahren Berufstätigkeit und Einzahlung ohne Auszahlung, rechnet Grözinger, könnten insgesamt über die gesamte Periode hinweg nicht weniger als 1.007 Milliarden Euro an Einführungsgewinn erwartet werden – 22 Milliarden Euro durchschnittlich pro Jahr.

Jenseits dieser hypothetischen Berechnungen indes bleibt etwa die Gleichstellung der Beamten mit den Angestellten im Öffentlichen Dienst ein komplizierter Prozess. Reiners geht davon aus, dass eine Anpassung auf großen Widerstand stoßen und mit einiger Sicherheit als Causa beim Bundesverfassungsgericht landen wird.

Mit anderen Worten: Bei der derzeitigen politischen Gemengelage wird der Vorstoß von Bärbel Bas kaum zu der erhofften Reform führen. Immerhin ist sie damit in die Offensive gekommen und hat eine wichtige Regel des politischen Handwerks beherzigt: „Themen besetzen und Streit anfangen.“

Alle Artikel dieser Ausgabe:

  • Merz’ Fehlstart könnte Europa teuer zu stehen kommen Der groß angekündigte Politikwechsel in der Außenpolitik ist gleich beim ersten Versuch gescheitert: Weder Putin noch Trump lassen sich von deutschen Forderungen beeindrucken. Doch der Kanzler hält an seinem vollmundigen Kurs fest – und geht große Risiken ein. Eric Bonse
  • Carsten Herbert: „Im Moment ist das fehlgeleitetes Geld“ Nach der Novelle des Gebäudeenergiegesetzes vom April 2023 soll das Heizen im Privaten sukzessive ohne fossile Energieträger auskommen. Die Kritik war laut, Hausbesitzer sahen sich plötzlich mit teuren Umbaumaßnahmen konfrontiert. Die Debatte über das sogenannte Heizungsgesetz bleibt verfahren. Interview: Malte Kornfeld
  • Wie macht man Trump zu einem Klimapolitiker? Trumps Agenda ist, genau betrachtet, sehr rational. Sie konzentriert sich auf das, was derzeit die größte Bedrohung darstellt: den Klimawandel. Oder? Dirk Bezemer
  • Baerbock in der UN: Falsches Signal in unsicheren Zeiten Was Baerbocks neuer Posten als Präsidentin der UN-Generalversammlung mit gesellschaftlicher Unzufriedenheit zu tun hat. Markus Knauff
  • Bildung im Namen der marktkonformen Demokratie In 14 von 16 Bundesländern ist ein Schulbuch Grundlage des Wirtschaftsunterrichts, dass sich wie eine 500-seitige Broschüre der „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ liest: „Wirtschaft für die Sekundarstufe II“. Daniel Deimling
  • Demokratie aus dem Reagenzglas Auch wenn die Wahl in Rumänien selbst einwandfrei verlief – sie war von dem Moment an „manipuliert“, als die Ergebnisse vom November annulliert und der Spitzenkandidat Călin Georgescu ausgeschlossen wurde. Thomas Fazi
  • Europas Rüstung und ihre wirtschaftlichen Folgen Im Schatten des russischen Angriffskriegs und unter dem Spardiktat des Stabilitäts- und Wachstumspakts dominiert ein neuer Rüstungskeynesianismus die EU-Agenda. Welche Folgen das für unseren Wohlstand hat, zeigt Teil eins dieser Analyse. Wolfgang Edelmüller
  • Streitfall Beamtenpension Arbeitsministerin Bärbel Bas will Beamte in das System der Gesetzlichen Rentenversicherung einbinden. Deren Privilegien in der sozialen Sicherung sind weder ökonomisch noch arbeitsrechtlich begründbar. Aber sie mit den Angestellten im Öffentlichen Dienst gleichzustellen, ist ein komplizierter Prozess. Hartmut Reiners
  • Großes Geldgeschenk für die Rentenkasse. Wird es abgelehnt? Die Aufnahme von Beamten und Selbständigen in die Rentenversicherung könnte Jahrzehnte lang erhebliche Mehreinnahmen ohne Ausgaben sichern. Der Widerstand dagegen ist stark ideologisch begründet. Gerd Grözinger