Ja..., nein..., vielleicht...
Liebe Leserinnen und Leser,
diese Ausgabe beschäftigt sich – weil das ja klar ist – mit offenen Fragen zur Energiewende, offenbar offenen Fragen zu Staatsschulden, mit zwei Büchern über das Geld und den kontroversen Thesen des senegalesischen Ökonomen Felwine Sarr.
Geld als Instrument
Maurice Höfgen, Autor des Buchs »Mythos Geldknappheit«, sieht die MMT als Instrument, um den Menschen Zugang zu grundlegenden Gütern der Daseinsvorsorge zu verschaffen. Mehr noch – für ihn ist Daseinsvorsorge ein universelles Recht. Wir haben einen Auszug aus seinem Buch veröffentlicht.
Ein anderes Buch über Geld hat Alexander Hagelüken geschrieben. Der Wirtschaftsjournalist (bei der Süddeutschen Zeitung) verspricht mit dem Titel »Das Ende des Geldes, wie wir es kennen« viel. Unser Chefradakteur Paul Steinhardt hat das Werk genauer unter die Lupe genommen und war enttäuscht. Statt zur Aufklärung trage dieses Sammelsurium unterschiedlicher Themen, das aus dem SZ-Wirtschftsressort entnommen zu sein scheint, bestenfalls zur Verwirrung bei, so sein Befund. Das ist umso ärgerlicher, als die wenigsten wissenschaftlichen Bücher über das Thema »Geld« einen Beitrag zur so dringlich gebotenen Bildung über unser Geldsystem und seine vielen Dysfunktionalitäten leisten.
Schulden sind vielleicht ein Problem – oder doch nicht?
Rudolf Hickel traut den Staatsschulden nicht wirklich über den Weg. In einem Aufsatz über »Staatliche Kosten der Covid-19-Krise« freut er sich zwar über einen ››fundamentalen Paradigmenwechsel der öffentlichen Haushaltspolitik‹‹, sorgt sich aber auch um die »Bedingungen der Schuldentragfähigkeit«. Es ist eine kognitive Dissonanz, mit der in Zeiten der Corona-Krise Ökonomen aus dem Mainstream zunehmend konfrontiert werden. So treibt auch Nikolaus Piper, ein Kollege Hagelükens aus der süddeutschen Redaktionsstube, das Unbehagen mit der eigenen Theorie umher. Was soll in der Nach-Corona-Zeit mit den hohen Staatsschulden passieren? Wie können sie letztlich beglichen werden und wer hat die Lasten zu tragen?
Es ist nicht nur eine Frage, die angesichts der Neuverschuldung durch das neue Konjunkturpaket immer öfter auftaucht. Sie hat auch eine lange Tradition: So erschreckte im Jahr 1975 der damalige Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Oppositionsführer Karl Carstens in einer finanzpolitischen Debatte im Bundestag die Öffentlichkeit mit der Feststellung: »Jeden Tag, Sonn- und Feiertage eingeschlossen, macht die Bundesregierung 104 Millionen DM Schulden«. Wie wir heute wissen, hat dies nicht zum Staatsbankrott der Bundesrepublik Deutschland geführt.
Gegen den Strom
Die Thesen des senegalesischen Ökonomen Felwine Sarr stoßen auf zunehmende Resonanz. Sarr, der in Deutschland durch die Rückgabeempfehlungen kolonialen Kulturguts bekannt wurde, die er mit der Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy verfasst hat, begreift Wirtschaft als Teil einer Kultur – und sie müsse wieder eine dienende Rolle einnehmen. Daraus leitet Sarr handfeste Konsequenzen für den afrikanischen Kontinent ab, der sich von Europa emanzipieren und seinen eigenen Weg gehen müsse. Die Moderne europäischen Zuschnitts, die Vernunft und die Rechte des Individuums an die erste Stelle setzt, hat in seiner Diagnose zu einem Werteverfall, Hedonismus, Vereinzelung und letztlich zu einer Schwächung des Individuums geführt. Dem entsprächen auf wirtschaftlichem Gebiet eine grenzenlose Ressourcenverschwendung, Umweltzerstörung und eine soziale Erosion, die sich in der immer größeren Schere zwischen Arm und Reich zeigt. Der Rest der Welt, ist sich Sarr sicher, wird nicht mehr die Zeit haben, diesem Beispiel zu folgen.
Hedonismus, oder das Glück des Einzelnen, ist auch das Anliegen der sogenannten Glücksökonomie: das Produzieren von Dingen und das Verdienen von Geld sei nur dann wertvoll, wenn es uns glücklicher macht. Nicht das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist demnach der Maßstab für Erfolg, sondern vielmehr wir selbst und unsere Erfahrung des Glücks. So wie das BIP in Euro und Cent ausgedrückt wird, so sprechen Glücksökonomen von WELBYs und QALYs. Doch was hätte es zu bedeuten, wenn wir die Kosten des Lockdowns in der Währung der Glücksökonomen aufrechnen würden?
Mit dem Strom
Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ist nicht irgendein Gesetz, sondern eine zentrale Säule der Energiewende, die die Bundesregierung vorantreiben will. Im Rahmen des Konjunkturpakets zur Bewältigung der Corona-Krise hat die Große Koalition zusätzliche 10 Milliarden Euro locker gemacht, um die EEG-Umlage zu stützen. Ziel des EEG: den Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromversorgung bis 2050 auf mindestens 80 Prozent zu steigern.
Doch diesem Ziel stehen gewaltige Hürden entgegen, so steht es in einer brisanten Stellungnahme, die Harald Schwarz, Professor für Energieverteilung und Hochspannungstechnik an der BTU Cottbus-Senftenberg, für den Ausschuss Wirtschaft und Energie des Deutschen Bundestages verfasst hat. Zwar sei das EEG im Sinne der Anschubfinanzierung für CO2 arme /-freie Technologien wichtig und richtig gewesen. Doch Lösungsansätze müssten »frei von ideologischem Wunschdenken den physikalischen Grundgesetzen folgen (…) und dabei die Auswirkungen auf das Gesamtsystem im Blick haben.« Mit anderen Worten: In der Energiepolitik sei genau dies nicht der Fall.