Investitionsfonds

Fiskalregeln: Wie mehr Klimainvestitionen schaffen?

| 20. Dezember 2023

Um die Klimaziele zu erreichen, müssen die EU-Staaten ihre öffentlichen Investitionen steigern. Doch das Urteil zur Schuldenbremse in Deutschland und die Reform der EU-Fiskalregeln weisen in die falsche Richtung. Helfen könnte ein EU-Klimainvestitionsfonds.

Damit die EU ihrem Ziel gerecht wird, bis 2050 klimaneutral zu werden, erfordert es erhebliche Zusatzinvestitionen. Es braucht eine Investitionsoffensive in Infrastruktur und Kapitalvermögen der öffentlichen und privaten Hand: Die öffentlichen Investitionen müssten für die Umstellung des Energie-, Gebäude- und Transportsektors um mindestens 1 Prozent der EU-Wirtschaftsleistung pro Jahr ausgeweitet werden

Doch wie soll die Ausweitung der öffentlichen Klimainvestitionen sichergestellt werden, wenn die öffentlichen Haushalte wegen der Auswirkungen der Krisen der letzten Jahre unter Konsolidierungsdruck stehen, die Alterung der Gesellschaft weiteren Aufwärtsdruck bei den Gesundheits- und Sozialausgaben verursacht und zudem die Zentralbanken die Zinsen stark angehoben haben und damit die Finanzierung verteuern? Die nationalen und europäischen Institutionen erkennen zwar weitgehend die investiven Anforderungen. Doch in der Praxis werden sie weiter auf die lange Bank geschoben.

EU-Fiskalregelreform: mäßiger Entwurf, problematische Ratsverhandlung

Während der Fokus der Reform der EU-Fiskalregeln auf dem mittelfristigen Abbau der öffentlichen Schuldenquoten liegt, soll es keine weitreichenden Ausnahmen für Klimainvestitionen geben. Ebenso wie Deutschland und andere EU-Mitgliedstaaten wird auch Österreich kaum in der Lage sein, die zusätzlichen öffentlichen Klimainvestitionen im erforderlichen Ausmaß zu tätigen, solange man gleichzeitig die öffentliche Schuldenquote abbaut. im Frühjahr meldete das Finanzministerium eine ab 2023 wieder rückläufige öffentliche Investitionsquote bis 2026 an die EU-Kommission.

Wir befinden uns aktuell in der heißen Verhandlungsphase um die EU-Fiskalregeln. Die Zeit drängt, da die Verhandlungen nach einem jahrelangen Prozess noch vor den Wahlen zum EU-Parlament abgeschlossen werden sollen. Die Debatte hat sich mittlerweile auf eine spezifische Auseinandersetzung zugespitzt: Wie ausgeprägt sollen Mindest-Konsolidierungsvorgaben („Safeguards“) sein?

Die spanische Ratspräsidentschaft hat als Kompromissvorschlag eine Landezone vorgelegt. Im spanischen Vorschlag wurden konkrete Angaben für Prozentpunkte der Schuldenreduzierungs- und Defizitkontrollmechanismen leergelassen. Das spanische Papier ist nun die Grundlage für weitere Verhandlungen der EU-Finanzminister. Deutschland führt die Riege derer an, die deutlich strengere und verbindliche Schuldenabbauregeln fordern als im Gesetzesvorschlag der EU-Kommission vorgesehen.

Der deutsche Weg ist jedoch widersprüchlich: Der Internationale Währungsfonds (IWF) kam erst vor Kurzem auf Basis einer Analyse von 17 entwickelte Volkswirtschaften – darunter Deutschland und Österreich – für die letzten vierzig Jahre zu dem Schluss: „Im Durchschnitt führen Budgetkonsolidierungen nicht zu einer Verringerung der Schulden im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung.“ Budgetkonsolidierung verlangsame das Wirtschaftswachstum, so der IWF.

Nur in einem guten wirtschaftlichen Umfeld mit vorteilhaften Begleitumständen führen Kürzungen zu den erwünschten Ergebnissen. Das Insistieren auf strengere Fiskalregeln und Konsolidierungsvorgaben kann sogar kontraproduktiv sein, wenn die aus der Kürzungspolitik resultierende Verlangsamung des Wirtschaftswachstums Aufwärtsdruck auf die Staatsschuldenquote auslöst.

BVFG-Urteil stellt Klimainvestitionen infrage

In der aktuellen Verhandlungsphase ist das Eintreten Deutschlands für härtere EU-Fiskalregeln nicht zuletzt deshalb problematisch, weil gerade erst ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Spielräume der Regierung eingeschränkt hat: Am 15. November hatte das Bundesverfassungsgericht ein wegweisendes Urteil gefällt. Das zweite Nachtragshaushaltsgesetz von 2021 ist mit dem Grundgesetz unvereinbar und darum nichtig.

Die 60 Milliarden Euro aus ungenutzten Krediten, die die deutsche Bundesregierung aus der Corona-Zeit in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) übertragen hatte, dürfen deshalb nicht ausgegeben werden. Zentrale Klima-Koalitionsvorhaben – wie zusätzliche Bahninvestitionen und thermische Gebäudesanierungen – hätten aus dem besagten KTF finanziert werden sollen.

Es mutet seltsam an, wenn Deutschlands Finanzminister Christian Lindner andere EU-Regierungen über die Notwendigkeit von Haushaltsdisziplin und strengeren EU-Fiskalregeln belehrt, während das deutsche Bundesverfassungsgericht die Umgehung der eigenen Schuldenbremse durch einen Schattenhaushalt zurückweist.

Deutschland hat kein Schuldenproblem. Die deutsche Staatsschuldenquote ist sogar die niedrigste aller G7-Länder und liegt auch unter jener Österreichs. Doch Deutschland hat mit der Schuldenbremse und ihrem Verfassungsrang massive juristische Problem. Und angesichts bestehender politischer Kräfteverhältnisse ist die Schuldenbremse nur schwer reformierbar.

Arbiträre numerische Beschränkungen der öffentlichen Kreditaufnahme sind in der Verfassung fehl am Platz. In Österreich sollte man angesichts der jüngsten Entwicklungen rund um das deutsche Verfassungsgerichtsurteil froh sein, dass es in der Vergangenheit gescheitert ist, der Schuldenbremse Verfassungsrang einzuräumen. So konnte der Nationalrat durch die Budgetbeschlüsse für 2024 eine erneute Abweichung verabschieden, um das Verfassungsziel „Sicherstellung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes“ nicht zu gefährden.

Option goldene Investitionsregel

Deutschland hat, ähnlich wie Österreich und andere EU-Länder, einen erheblichen strukturellen Mehrausgabenbedarf, wenn die Klimaziele erreicht werden sollen – zumal Deutschlands öffentliche Investitionen in den letzten zwei Jahrzehnten im EU-Vergleich stark hinterherhinken.

Die zusätzlichen Investitionen sind in den kommenden Jahren besonders dringlich, weil die Erreichung der Klimaziele sonst in weite Ferne rückt und damit zukünftiger Klimaschutz deutlich teurer wird. Um die strukturellen Investitionsmehrbedarfe zu adressieren, braucht es Finanzierungslösungen, die aus ökonomischer, sozialer und politischer Sicht nachhaltig sind.

Eine Option, um zusätzliche Klimainvestitionen auf EU-Ebene zu ermöglichen, besteht in der Umsetzung einer goldenen Regel für öffentliche Klimainvestitionen. Dies würde die Einführung eines spezifischen Kriterienkatalogs für Klima-Investitionsausgaben voraussetzen, die von den laufenden Staatsausgaben zu trennen sind. Eine goldene Investitionsregel würde es ermöglichen, öffentlichen Vermögensaufbau in Form von Klimainvestitionen durch zusätzliche Schulden zu tätigen und diese bei der Defizit- und Schuldenberechnung auszunehmen.

Allerdings sind die politischen Verhandlungen rund um die Reform der EU-Fiskalregeln bereits weit fortgeschritten. Und außerdem haben mehrere Regierungen, darunter allen voran die Deutsche, haben in der Vergangenheit eine grundlegend ablehnende Haltung gegenüber einer goldenen Investitionsregel eingenommen.

Neuer EU-Klimainvestitionsfonds

Eine aussichtsreichere Option besteht in der Einführung eines neuen EU-Klimainvestitionsfonds. Zwar war die deutsche Regierung bislang auch hinsichtlich der Einrichtung einer neuen, permanenten EU-Fiskalkapazität skeptisch. Allerdings hat die Covid-19-Krise gezeigt, dass die deutsche Regierung im Jahr 2020 zu einer raschen Änderung ihrer Position imstande war, als die damalige Krise neue Fakten schuf.

So wurde der Covid-19-Wiederaufbaufonds („Recovery and Resilience Facility“, kurz: RRF) ermöglicht. Die RRF wurde zur wirtschaftlichen Abfederung der Covid-19-Krise lanciert. Sie ist einer der ersten größer angelegten Investitionsinitiativen in der EU, die unter anderem auf Dekarbonisierung abzielt.

Die RRF könnte als Vorbild Für die Errichtung des neuen EU-Klimainvestitionsfonds dienen. Angesichts Klimawandel und Energiekrise ist sie jedoch nicht groß genug, um die Investitionsanforderungen ausreichend zu adressieren. Zudem läuft sie 2026 aus. Um das EU-Klimaziels bis 2030 zu erreichen, müssten Investitionen um etwa da Zehnfache des grünen Investitionsanteils ausgeweitet werden, wie der RRF sie vorsieht.

Die Europäische Kommission würde nach dem Vorbild der RRF eigene Anleihen begeben, um den EU-Investitionsfonds für Klima und Energie zu finanzieren. Die Verwendung der Investitionsmittel durch die Mitgliedstaaten wäre an Klimaauflagen gebunden. Die Investitionen müssen also auf das Erreichen der Klimazielen abzielen.

Während von einzelnen Mitgliedstaaten aufgenommene Schulden die nationale Schuldenquote erhöhen und damit Konflikte mit den EU-Fiskalregeln erzeugen, würden über EU-Anleihen finanzierte Zuschüsse nicht auf die Staatsschuldenquote durchschlagen. Dieser Umstand würden es auch für die deutsche und österreichische Regierung attraktiv machen, angesichts der aktuellen Entwicklungen rund um die deutsche Schuldenbremse und die Reform der EU-Fiskalregeln einen EU-Klimainvestitionsfonds zu unterstützen. So könnten die erforderlichen Klimainvestitionen (mit-)finanziert werden, während die Regierungen Konflikte mit nationalen und europäischen Fiskalregeln vermeiden.

Dieser leicht abgeänderte Artikel wurde in seiner Ursprungsversion unter einer Creative-Common-Lizenz auf dem Blog von Arbeit & Wirtschaft (A&W) veröffentlicht. Die A&W gehört zur Arbeiterkammer und zum Österreichischen Gewerkschaftsbund.