Makroskop
Kurz & News

EU-Gipfeltreffen: Doch keine Enteignung der Russen

| 18. Dezember 2025
IMAGO / dts Nachrichtenagentur

Statt eines Kredits sollte die Ukraine enteignete russische Reserven bekommen, so wollte es Kanzler Friedrich Merz. Jetzt kommt doch alles anders.

Beim EU-Gipfeltreffen am 18. Dezember trat Bundeskanzler Friedrich Merz mit folgenden Worten vor die Kamera: "Wir stehen im Grunde vor der Wahl, ob wir europäische Schulden oder russisches Vermögen für die Ukraine einsetzen. Da ist meine Meinung klar: Wir müssen das russische Vermögen nutzen." Der Plan von Merz und der EU-Kommission: ein Darlehen aus russischen Zentralbankgeldern an die Ukraine zahlen.

Mitte der Nacht verkündete der Kanzler jedoch auf X "Das Finanzpaket für die Ukraine steht: ein zinsloser Kredit für 90 Milliarden Euro." Angeblich hätte er dies auch so gefordert. Hat Merz seine Haltung in wenigen Stunden geändert?  Vielmehr scheiterte das Vorhaben, russische Vermögen für einen Kredit an die Ukraine zu enteignen, am Widerstand Belgiens. Dort lagert ein Großteil russischer Reserven beim Finanzdienstleister Euroclear, der zentralen Verwahrstelle für russisches Zentralbankgeld.

Aus dem deutschen Nachbarland gab es rechtliche und finanzielle Bedenken. Premierminister Bart De Wever knüpfte seine Zustimmung an unbegrenzte Garantien der EU. Da Frankreich und Italien so weit nicht gehen wollten, verhinderte Belgien den Beschluss.

Eine Klage wäre nicht unwahrscheinlich gewesen, stand der Kommissionsplan doch auf wackeligen Beinen: Wenn ein Drittstaat wie die EU Zentralbankreserven irreversibel enteignet, verstößt sie mit großer Wahrscheinlichkeit gegen die Immunität von Staaten und Zentralbanken – ein zentraler Punkt im Völkerrecht. Außerdem antizipiert die Union Reparationszahlungen ohne Gerichtsurteil oder Friedensvertrag. Reserven werden zum politischen Faustpfand.

Doch eine Hintertür möchte sich die EU offenhalten: Falls Russland nicht für die Kriegsschäden der Ukraine aufkommt, will sie dafür doch russische Vermögen heranziehen. Gäbe es erneuten Widerstand, könnten einzelne EU-Staaten das Vorhaben nicht wie Belgien abermals zum Scheitern bringen. Zwar müssen die Staats- und Regierungschefs normalerweise wichtige Entscheidungen bei Gipfeltreffen einstimmig treffen, in "besonderen Lagen" können Staaten wie Ungarn, Slowakei und Tschechien, die der Ukraine überhaupt nicht mehr helfen wollen, vom Entscheidungsprozess ausgeschlossen werden. Das sei rechtlich absichert, so der portugiesische EU-Ratspräsident António Costa.