Theorie

Kampfbegriff Globalisierung

| 12. Februar 2021
Bild: istock.com/chombosan

Globalisierung als fortschreitende internationale Arbeitsteilung gibt es schon seit zweitausend Jahren. Doch ihre heutige kapitalistische Form beunruhigt mehr und mehr Menschen. Überlegungen zu einem markanten Kampfbegriff.

„Wir kämpfen für eine gerechte Globalisierung“ sagten BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN in ihrem Wahlprogramm 2017, was gleichbedeutend „für eine menschenrechtliche Sorgfaltspflicht von Unternehmen“ stehe. Für Templeton Emerging Markets Fund Inc., einer der größten Vermögensverwalter weltweit, sind Entwicklungsländer „emerging markets“. Dorthin gehen anlagesuchende Gelder, beispielsweise von europäischen Pensionsfonds, um mit ansprechender Rendite zurück nach Europa zu fließen. Das Credo des Vermögensverwalters für diese Form der Globalisierung lautet: Wir glauben nicht,

„dass ein Investor verantwortlich ist für die Ethik, für die Verschmutzung oder das, was eine Firma verursacht, in die er investiert. Das ist nicht seine Aufgabe. Seine Aufgabe ist zu investieren und Geld für seine Klienten zu verdienen.“

Was ist Globalisierung?

Was ist Globalisierung? Globalisierung steht erst einmal für fortschreitende internationale Arbeitsteilung, die es schon seit zwei Jahrtausenden gibt. Somit ist Globalisierung nichts Neues, nur ihre heutige kapitalistische Form, forciert durch Produktivitätssteigerungen und wachsenden Rentabilitätsdruck, beunruhigt mehr und mehr Menschen.

Diejenigen, die es beängstigt, sehen in der Globalisierung einen beschleunigten Arbeitsplatzabbau im eigenen Lande. Diejenigen, welche die Notwendigkeit der Globalisierung geltend machen, verweisen auf das notwendige Wachstum, das veränderte Wertschöpfungs- und Beschäftigungsstrukturen mit sich bringt. Beide Behauptungen sind in dieser Generalisierung zutreffend. Analytisch sind beide wenig hilfreich. Folgende Überlegungen zu einem markanten Kampfbegriff sollen das ausleuchten.

Globalisierung, das bedeutet eine immer stärker verflochtene Weltwirtschaft. Diese bewirkt einen fortlaufenden Strukturwandel in den nationalen Volkswirtschaften. Sie setzt die Frage nach nationaler Wettbewerbsfähigkeit und Konkurrenzfähigkeit von nationalen Standortfaktoren propagandistisch auf die Tagesordnung. Globalisierung beschreibt einen wirtschaftlichen Prozess, der seine Dynamik aus veränderten Investitions-, Produktions- und Vertriebsentscheidungen von Unternehmen bezieht. Wirtschaftliche Globalisierung ist ein historischer Prozess wirtschaftlicher Expansion.

Zahlen, die schaudern machen sollen

Die fortschreitende Globalisierung wird gemessen an der zunehmenden Weltmarktintegration. Die wachsende Internationalisierung der Unternehmen, gerade durch Fusionen und die Existenz eines globalen Finanzmarktes, ist ein Gradmesser. Als Konsequenz der Globalisierung wird eine wachsende Standortkonkurrenz zwischen den Nationalstaaten um die Ansiedlung von Unternehmen beschworen, beziehungsweise um die Lokalisierung ihrer Geschäftstätigkeit gekämpft.

Heute vergeht keine Woche, in der nicht ein Standortranking der Länder, der Städte und Regionen veröffentlicht wird. Harte Standortfaktoren werden präsentiert, womit primär das jeweilige nationale Steuersystem, die sogenannten Arbeitskosten und die zu erwartenden Subventionen für Investitionen gemeint sind. Ein oft genannter weicher Standortfaktor ist die sogenannte Lebensqualität, worunter Wohnen und Kultur subsumiert werden. Bei der Beurteilung dieser Rankings hilft ein Blick darauf, wer die betreffende Studie finanziert hat.

Diese internationalen Vergleiche haben ein Gemeinsames. Lohn- und Gehaltsabhängige sehen sich mit entsprechend aufbereiteten Zahlen konfrontiert, die sie schaudern machen sollen. Davon lassen sich auch gerne Arbeitnehmerorganisationen wie Gewerkschaften beeindrucken, die eher das Nationale, denn das globalisiert Soziale in der Problemstellung erblicken können.

Immer wieder verbreitete Produktivitätsvergleiche suggerieren, dass die Arbeitnehmer nun im Wettbewerb mit ihren Kollegen in Indien, China, USA oder Afrika stehen. Globalisierung präsentiert sich als Bedrohung. Unverstandene wirtschaftliche Entwicklungen werden emotional beurteilt, weil sie nicht erläutert werden.

Globalisierung bei Marx und Goethe

Sehen wir uns an, was Marx 1848 zur Globalisierung geschrieben hat:

„Die uralten nationalen Industrien sind vernichtet worden und werden noch täglich vernichtet. Sie werden verdrängt durch neue Industrien, deren Einführung eine Lebensfrage für alle zivilisierten Nationen wird, durch Industrien, die nicht mehr einheimische Rohstoffe, sondern den entlegensten Zonen angehörige Rohstoffe verarbeiten, und deren Fabrikate nicht nur im Lande selbst, sondern in allen Weltteilen zugleich verbraucht werden. An die Stelle der alten, durch Landeserzeugnisse befriedigten Bedürfnisse treten neue, welche die Produkte der entferntesten Länder und Klimate zu ihrer Befriedigung erheischen. An die Stelle der alten lokalen und nationalen Selbstgenügsamkeit und Abgeschlossenheit tritt ein allseitiger Verkehr, eine allseitige Abhängigkeit der Nationen voneinander. Und wie in der materiellen, so auch in der geistigen Produktion. Die geistigen Erzeugnisse der einzelnen Nationen werden Gemeingut. Die nationale Einseitigkeit und Beschränktheit wird mehr und mehr unmöglich...“[i]

Ist das nicht schön, wuchtig und klar formuliert? Es ist eine deutliche Beschreibung des Sachverhaltes ohne akademisch verwunderten Unterton. Richtig, so besehen ist Globalisierung erst einmal etwas, was trotz kapitalistischer Form Frischluft bedeutet. Dazu sei als Metapher ein Ausschnitt aus Goethes Faust erlaubt:

„Sie feiern die Auferstehung des Herrn,
denn sie sind selber auferstanden:
aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,
aus Handwerks- und Gewerbesbanden,
aus dem Druck von Giebeln und Dächern,
aus den Straßen quetschender Enge,
aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht
sind sie alle ans Licht gebracht.“[ii]

Die Globalisierung ist also nur ein anderer Name für den Drang des Kapitals, weltweit zu wachsen, weil es zuhause in Sachen Wachstum eng geworden ist: „Der deutsche Markt läßt kein organisches Wachstum mehr zu“.[iii] Die Globalisierung ist also nichts Neues. Nur werden eben mehr und mehr Menschen von der Kapitalisierung ihrer Lebensverhältnisse erfasst.

Ein Thema, das zu früh bereits Ende der 1940er Jahre unter dem Thema: „Stagnationstendenzen des amerikanischen Kapitalismus“[iv] abgehandelt wurde. Dort wurden Überlegungen von John Maynard Keynes zur nachlassenden Akkumulationskraft der Investitionen aufgegriffen, die später im allgemeinen neoklassischen Geplärr untergegangen sind.

Außenhandelstheorien, ein Trümmerhaufen

Heute unterscheiden die Lehrbücher zwischen der reinen und der monetären Außenhandelstheorie. Sie stehen unvermittelt nebeneinander. Die akademische Lehre kümmert das wenig.

Die reine Außenhandelstheorie hat ihre Wurzeln in der Politischen Ökonomie von Adam Smith und David Ricardo. Ihre neoklassische Lehrbuchform kennt weder Werte noch Preise, sie kennt nur Mengen. Ihre Themen sind: Absolute Kostenvorteile (Adam Smith); Theorie komparativer Kostenvorteile (David Ricardo); Heckscher-Ohlin-Modell (Faktorproportionentheorie).

Davon strikt getrennt ist die monetäre Außenhandelstheorie, die auf Elemente der Keynes‘ Theorie aufbaut. Sie gliedert sich in folgende Bestandteile: Währungssysteme (feste und flexible Wechselkurse), Kaufkraft- und Zinsparitätentheorie, Zahlungsbilanz und Zahlungsbilanzreaktion und das Mundell-Fleming-Modell[v].

Die reine Theorie ist ohne Geld konzipiert, die monetäre berücksichtigt zwar Wechselkurse, eine eigenständige Geld- und Kapitaltheorie kann sie jedoch nicht bieten. Mit der reinen Theorie lässt sich heute kaum noch etwas vom heutigen Außenhandel begreifen. Sie wollte mit ihrem Ansatz der komparativen Kostenvorteile erklären, warum Außenhandel für zwei Länder vorteilhaft sei.

Ein Blick auf die Statistik „Rangfolge der Handelspartner im Außenhandel der Bundesrepublik Deutschland“ [vi]zeigt, wie sehr dieser Ansatz ins Leere geht. Frankreich gehört zu Deutschlands größten Handelspartnern, was mit dieser Theorie nicht erklärt werden kann. Mit der Aussage der Faktorproportionen-theorie: „Ein Land exportiert jene Güter, in deren Produktion der relativ reichlich vorhandene Faktor vergleichsweise intensiv eingesetzt wird“, kann daher wenig angefangen werden. Alleine Zahlen zum Ex- und Import von Automobilen zwischen Deutschland und Frankreich zeigen, dass hier andere ökonomische Faktoren eine Rolle spielen, als der Verweis auf die stoffliche Faktorausstattung.

Ähnliches ist zu der monetären Theorie zu sagen. Sie ist primär darauf aufgebaut, die Geldströme als Dual der Warenströme zu erklären. Das klassische Beispiel dafür ist die Erklärung der Wechselkurse. Eine Analyse der Finanztransaktionen, die ohne jeden Warenaustausch Kapitalströme hin und her bewegen, wird nicht geliefert, eine solche analytische Kapazität ist hier nicht vorhanden.

Beispiel: Das weltweite Bruttoinlandsprodukt (BIP) lag im Jahr 2015 bei 59,7 Billionen US-Dollar. BlackRock verwaltet 5,98 Billionen US-Dollar, also 10% dieses BIP, und ist damit der größte unabhängige Vermögensverwalter der Welt und gilt als weltweit größte Schattenbank. Man kann also getrost sagen, dass die derzeitige akademische Außenhandelstheorie herzlich wenig zur Analyse und Erklärung dieser Art von Globalisierung beitragen kann. Sie ist schlicht ein Trümmerhaufen.

Grenzen der Globalisierung?

Aber auch von globalisierungskritischer Seite ist nicht immer eine klare Sicht zu erwarten. Exemplarisch werden wir im Folgenden einen Streifzug durch den wirtschaftstheoretischen Garten des Buches Grenzen der Globalisierung von Elmar Altvater und Birgit Mahnkopf unternehmen.

Das 1999 erschienene Buch hat offensichtlich gerade wegen seiner analytischen Beliebigkeit eine große rezeptive Beliebtheit und Resonanz erfahren. Es avancierte zum Klassiker zu diesem Thema und erlebte bislang sieben Auflagen. Der Titel ist geschickt gewählt, 1972 erschien der erste Bericht des Club of Rome, der unter dem Titel Grenzen des Wachstums verschiedene Entwicklungsszenarien der Weltwirtschaft präsentierte. Pointiert hieß es dort, dass ungefähr nach 100 Jahren die Grenzen des Wachstums erreicht, die natürlichen Ressourcen dann erschöpft seien. Die sogenannte Ölkrise von 1973, also nur ein Jahr nach der Publikation des Berichtes, erschien so als ein warnendes Menetekel.

Das Buch „Grenzen der Globalisierung“ ist vorsichtiger. Terminierung und Datierung der erreichten Grenzen der Globalisierung werden nicht gereicht. Die grundlegende Argumentation des Buches ist jedoch dem aus dem Jahre 1973 stammenden Bericht ähnlich.

„Das System der gesellschaftlichen Arbeit hingegen ist lokal gebunden. ... Das Geld ist global, die Arbeit bleibt lokal.“[vii]

Das erscheint zunächst als eine vernünftige Erkenntnis. Ist es aber nicht. Die konkret nützliche Arbeit ist lokal, stellt beispielsweise einen Gebrauchswert wie einen BMW an einem Ort in Bayern her. Globalisierung ist aber die Globalisierung der abstrakt menschlichen Arbeit, womit sich die im Wert eines Autos vergegenständlichte Arbeit in Bayern zunehmend mit der im Wert eines Autos vergegenständlichten Arbeit in Maharashtra (Indien) vergleichen lassen muss. Die Produktionsvoraussetzungen wie der Einsatz von Maschinen und Anlagen sowie die Qualifikation der Arbeitskräfte und ihre Entlohnung werden sich angleichen.

Zu einem späteren Zeitpunkt wird dann der wertbildende Charakter dieser noch lokal gültigen abstrakten Arbeit in Bayern sich nicht mehr von dem Maharashtra unterscheiden. Die abstrakt verausgabte Arbeit wird somit global gültig sein. Das heißt, in einer bestimmten Zeiteinheit wird an beiden Orten, Bayern und Maharashtra, der gleiche Wert produziert werden.

 „Offensichtlich ist das ökonomische System der monetären Kommunikation auf bestimmte Weise an die soziale Organisation des Metabolismus zwischen Natur und Gesellschaft gebunden, selbst wenn sich das Geld von den realen Verhältnissen entkoppelt und seine Handlungslogik allen anderen Handlungssystemen oktroyiert.“[viii]

Nun, „monetäre Kommunikation“, das ist eine nette Metapher, bietet aber nichts Trittfestes an. Jedoch: Das Geld kann sich nicht von den realen Verhältnissen entkoppeln. Die realen Verhältnisse sind die kapitalistische Warenproduktion.

Sie ist auf die Produktion von Profit, genauer Mehrwert, aus. Geld in seiner Funktion als Kapital kann sich nicht von dieser Warenproduktion entkoppeln, denn Geld kann nur mehr Geld werden, wenn das Geldkapital aus den Niederungen der kapitalistischen Warenproduktion sein „mehr Geld“ erhält.

Das kann lange dauern, das kann schiefgehen, das mag unbequem sein, jedoch gibt es mehr Wert in Form von Geld ohne diese Warenproduktion so nicht. Das Geld und die realen Verhältnisse fallen also allenfalls zeitlich etwas auseinander, entkoppelt sind sie nicht. Wenn „allen anderen Handlungssystemen“, was auch immer die sein mögen, etwas oktroyiert wird, dann die Funktion des Geldes als Kapital.

 „Die doppelte Form der Vergesellschaftung in der kapitalistischen Produktionsweise durch Arbeit und Geld ist für die Gleichzeitigkeit von Globalisierung durch die Dynamik des Geldes und Fragmentierung durch die lokale Gebundenheit der Arbeit verantwortlich.“[ix]

Diesen Satz verstehe, wer kann. Was mithilfe der marxistischen Theorie nachvollziehbar ist: die Vergesellschaftung der Produktion innerhalb kapitalistischer Verhältnisse hat mit der Form von Aktiengesellschaften ihre kapitalistische Form erhalten.

Nun wird John Maynard Keynes bemüht:

 „Geld, die liquideste Form des Vermögen, ist ein (nach Keynes) nicht zu übertreffender ‚anti-social ... fetish’, und beschert denen, die ihn als Mammon vergöttern, finanzielle Krisen, in denen Geld vernichtet wird.“[xi]

Bei Keynes ist das Geld Wertaufbewahrungsmittel. Es steht bei ihm in Konkurrenz zu anderen Wertaufbewahrungsformen wie Aktien als Wertpapiere. Der Teufel steckt hier im Detail. Denn die Geldmenge wird bei Keynes exogen vorgegeben, die Zentralbank stellt die Geldmenge zur Verfügung. Die Zentralbank produziert und steuert die Geldmenge, die als Vermögen genutzt werden kann. Zu Ende gedacht, die Zentralbank ist die Institution, die in letzter Instanz über den Reichtum einer Volkswirtschaft gebietet. Das ist ein witziger Gedanke. Insbesondere, wenn man wie Bundesbankpräsident Weidmann der Überzeugung ist, „die Notenbank kann (…) das Geld (…) quasi aus dem Nichts erschaffen.“

Mit der Verwertung von Wert hat das jedenfalls nichts zu tun. Es ist ein Rückschritt der bereits gewonnenen Einsicht, warum Geld auch gerade als Kapital fungiert.

 „Die Form des Geldes wird näher bestimmt durch die Funktionen, die dem Geld zukommen. Bei der Funktionsanalyse treffen sich Marx und andere Geldtheoretiker – und sie müssen sofort wieder voneinander geschieden werden. (...) Zwei grundlegende Funktionsbestimmungen können auseinander gehalten werden: Einerseits das Geld in Bezug auf die Welt der Waren, deren Wert das Geld misst (Wertmesser) und die es zirkuliert (Tauschmittel) – und das Geld in selbstreferentiellem Bezug auf sich selbst – Geld als Geld (Wertaufbewahrungsmittel und Zahlungsmittel) – andererseits.“[xii]

Das ist ein Durcheinander von Begriffen und ökonomischem Verständnis. Geld als Geld ist Zahlungsmittel, Recheneinheit, Tauschmittel und Wertaufbewahrungsmittel. Letzteres kann auch Schatzmittel genannt werden, nur der Geldschatz kennt keine unbefleckte Empfängnis, er kann nicht alleine mehr werden. Im Sparstrumpf wird es nicht mehr. Dagegen Geld „in selbstreferentiellem Bezug auf sich selbst, Geld als Geld“, ist Kapital. Geldkapital, das nur dann mehr werden kann, wenn es mithilfe der kapitalistischen Warenproduktion mehr Geld werden kann. Da ist die Analyse von Marx einmalig, eine Funktionsanalyse des Geldes als Kapital gibt es bei keiner anderen Theorie.

Moderne Zusammenbruchstheorie

Warum dieser Streifzug durch den analytisch eklektischen Garten von Grenzen der Globalisierung? Abgesehen von den dokumentierten theoretischen Unzulänglichkeiten, die dieses Buch prägen, zeigen die dortigen Ausführungen, dass das Verständnis der Grenzen ein stoffliches ist. Es wird angenommen, dass die Ressourcen der Erde irgendwann einmal zur Neige gehen und damit der Kapitalismus seine stoffliche Grundlage verliert – und somit vor sich selbst gerettet werden muss.

Es ist eine Art moderne Zusammenbruchstheorie, welche Wirkungsketten verdreht. Der Kapitalismus treibt die Globalisierung voran. Die Globalisierung kann also nicht der Urheberschaft für alle wirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Schieflagen bezichtigt werden. Irgendwie lässt einen das Gefühl nicht los, dass hier einige Positionen namens Globalisierungsgegner an der Nase herumgeführt werden.

Kapitalismus ist aber etwas anderes. Er ist das Privateigentum an Produktionsmitteln, die Arbeitsteilung, die gesellschaftliche Produktion und deren private Aneignung. Und: es gibt den doppelt freien Lohnarbeiter, also Leute, die keine Produktionsmittel besitzen und nur ihre Arbeitskraft verkaufen können. Das ist auch dann gültig, wenn der letzte Quadratmeter Europa zubetoniert ist. Der Kapitalismus ist auch dann präsent, wenn die ersten Fabriken auf dem Mars errichtet worden sind. Diese Perspektive hat übrigens für die Kapitaleigentümer den Vorteil, dass Arbeitsniederlegungen mit der Unterbrechung der Sauerstoffzufuhr begegnet werden könnte.

Kurz, der jeweilige ökologische Zustand der Erde, die stoffliche Verelendung der Erdteile durch die kapitalistische Produktionsweise hebt diese nicht auf. Somit kann analytisch dieser Weg der Kassandra nicht beschritten werden. Die ökonomischen Gesetzmäßigkeiten, die ökonomischen Zwänge der kapitalistischen Produktionsweise sind transparent zu machen. Erst dann kann der Blick auf theoretische Alternativen möglich werden.

Alles andere ist die Angst um den eigenen ökologischen Garten. Der ökologisch gerichtete Zeigefinger, auf dem da steht: „Seht nur, was Ihr mit eurem Globalisierungsdrang anrichtet“, weist ins Niemandsland. Mit Moral und Ethik oder „mehr Gerechtigkeit“ kommt man da nicht weiter.

Beunruhigend darüber hinaus ist die Ignoranz solcher alternativen Gegenentwürfe gegenüber den industriellen Entwicklungen in Ländern wie China. Der keinem Chinesen abzustreitende Wunsch, auch die kapitalistisch produzierte Plethora an Konsumgütern genießen zu wollen, bedeutet natürlich mehr Ressourcenverbrauch. Der Energieverbrauch pro Person ist in den USA immer noch dreimal höher als in China und doppelt so hoch wie in Deutschland. Das bedeutet, ohne besonders weitsichtig zu sein, Konflikte.

Fazit: Globalisierung steht im Allgemeinen heute als Begriff für die kapitalistische Form, in der sich die Lebensverhältnisse der Menschen auf dem Globus angeglichen haben, angleichen und angleichen werden. Als Kampfbegriff ist Globalisierung hervorragend geeignet, falsche Hoffnungen, Erwartungen und Ängste zu erzeugen.

Dieser Artikel ist eine leicht überarbeitete Fassung des Abschnitts „Globalisierung“ aus dem Buch: Das Elend der Ökonomie. Von einer Wissenschaft, die keine ist, Zürich 2007. Er erschien auf Makroskop zuerst am 14.12.2017.

[i] http://www.fes.de/marx/km/IBourg.htm.
[ii] Johann Wolfgang von Goethe, Faust. Der Tragödie erster Teil, Osterspaziergang.
[iii] Hans-Joachim Körber, Vorstandsvorsitzender des Handelskonzerns Metro, in: F.A.Z. vom 10.08.2007.
[iv] Beispielsweise Josef Steindl, Maturity and Stagnation in American Capitalism, New York 1952.
[v] Das Mundell-Fleming-Model beschreibt eine kleine Volkswirtschaft, die mit anderen Ländern durch Handel und grenzüberschreitende Kapitalströme verbunden ist, und zeigt, welche Politikoptionen bestehen und wie das Land auf Veränderungen der inneren und äußeren Rahmenbedingungen reagiert, http://www.fgn.unisg.ch/eurmacro/tutor/mundell-fleming-index-de.html.
[vi] siehe http://www.destatis.de/download/d/aussh/rangfolge.pdf .
[vii] Elmar Altvater, Birgit Mahnkopf, Grenzen der Globalisierung Ökonomie, Ökologie und Politik in der Weltgesellschaft, Westfälisches Dampfboot, 4. Aufl., Münster 1999, S.162, S.163.
[viii] Elmar Altvater, Birgit Mahnkopf, Grenzen der Globalisierung Ökonomie, Ökologie und Politik in der Weltgesellschaft, Westfälisches Dampfboot, 4. Aufl., Münster 1999, S. 163.
[ix] Elmar Altvater, Birgit Mahnkopf, Grenzen der Globalisierung Ökonomie, Ökologie und Politik in der Weltgesellschaft, Westfälisches Dampfboot, 4. Aufl., Münster 1999, S. 164.
[x] Friedrich Engels, Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft, Marx-Engels Werke, Band 19, Dietz Verlag, Berlin, 1962, Seite 191.
[xi] Elmar Altvater, Birgit Mahnkopf, Grenzen der Globalisierung Ökonomie, Ökologie und Politik in der Weltgesellschaft, Westfälisches Dampfboot, 4. Aufl., Münster 1999, S. 165.
[xii] Elmar Altvater, Birgit Mahnkopf, Grenzen der Globalisierung Ökonomie, Ökologie und Politik in der Weltgesellschaft, Westfälisches Dampfboot, 4. Aufl., Münster 1999, S. 165.