Die kommende Blockchain-Gesellschaft
Mit der Abschaffung des physischen Bargeldes und der absoluten Dominanz digitaler Geldsysteme steuern wir in die Welt der Kryptowährungen und Kryptogelder. Über die Gefahren wird leider kaum gesprochen.
Bei der Bargeldabschaffung geht es darum, die Welt zu einem riesigen Verkaufsautomaten zu machen. In dem Automaten befinden sich die Dinge, die man zum Leben unbedingt braucht oder überhaupt nicht braucht, sie aber dennoch unbedingt haben möchte. Wir nennen sie Vermögenswerte.
Der Kampf, der gegenwärtig auf der Hinterbühne des globalen Theaters um das Geld tobt, ist ein Kampf darum, wessen „digitale Münze“ in den Automaten geworfen muss. Folgende Kampfhähne erheben Anspruch darauf: Die Zentralbanken, die Geschäftsbanken, riesige Internetunternehmen wie Google oder Facebook, riesige Zahlungsdienstleister wie Paypal oder Klarna und schließlich die Kryptogeld-Gemeinden wie zum Beispiel Bitcoiner und weitere 9.000 bis 22.000 Vertreter von Kryptogeldarten.[1]
Die Technologie, die die Möglichkeit bietet, die digitalen Münzen herzustellen, ist die sogenannte Blockchain. Alle Kampfhähne stürzen sich auf diese Technologie. Wieviel Blockchain schon jetzt oder zukünftig in ihren digitalen Münzen steckt, lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur sehr schwer feststellen.[2] Und die Zentralbanken behaupten, unsere zukünftigen digitalen Münzen seien zwar nicht greifbar, aber dennoch Bargeld oder so etwas Ähnliches wie Bargeld.
Welche Eigenschaften hat das Bargeld?
Bargeld ist die Geldform, die in unserem Geld- und Finanzsystem, die größte Sicherheit und Stabilität bietet. Bargeld ist Zentralbankgeld und wird von der Zentralbank im Auftrag der Regierung emittiert oder herausgegeben. Es gibt zwei Bargeld-Formen. Einmal können wir es im Geldbeutel bei uns tragen – das ist das physische Bargeld. Dann gibt es das Bargeld in elektronischer Form – sogenannte Reserven, auf das private Haushalte und Unternehmen keinen Zugriff haben. Diese Reserven zirkulieren nur zwischen Banken und der Zentralbank.
Wenn wir Bargeld zur Bank bringen, passiert etwas, was die meisten Menschen nicht wirklich durchschauen: Unser Bargeld wird zu Giralgeld. Giralgeld aber, also das Geld auf unserem Girokonto, ist das private Geld der Geschäftsbanken. Statt unserem Bargeld, das wir im Geldbeutel hatten, haben wir nur noch einen Schuldschein in Form des Girokontos. Die Bank ist unser Schuldner geworden und wir zum Gläubiger der Bank. Was wir nun in unserer „Hand“ halten, ist das Versprechen der Bank, dass sie das Giralgeld in Bargeld umwandeln wird, wenn wir es verlangen. Sie ist sogar gesetzlich verpflichtet dazu. Dennoch hängen wir von der Einlösung dieses Versprechens ab – und damit von allen Unwägbarkeiten, die sich einer solchen Einlösung entgegenstellen können.
Welche Funktion hat das Bargeld – sei es in elektronischer, sei es in physischer Form – in unserem Geldsystem? Sie besteht darin, der Gelderzeugungslust der Geschäftsbanken Zügel anzulegen. Die Geschäftsbanken, einschließlich Sparkassen, Volks- und Raiffeisen Banken, dürfen unter wohlwollender Duldung des Staates ihr eigenes Geld erzeugen. Geld kann nur durch den Kredit zur Welt kommen. Dabei erliegen die privaten Gelderzeuger immer wieder der Versuchung, die Kreditvergabe mit allen sich bietenden Möglichkeiten extrem auszuweiten. Das führt zu einer überschießenden Geldproduktion.
Solange das Geld für Kredite erzeugt wird, die gesellschaftlich sinnvoll und damit auch real- und finanzwirtschaftlich verantwortbar sind, ist dagegen nichts einzuwenden. Wenn es aber die Spekulation mit Aktien und riskanten Wertpapieren anheizt, die Immobilienpreise und die Preise für Kunstwerke auf 100 Millionen und für Fußballspieler auf 500 Millionen hochtreibt, wird die Sache absurd.
Private Gelderzeugung bedarf der öffentlichen Aufsicht
Das private Geld muss beaufsichtigt werden. Die Zentralbank verlangt daher – mit äußerster Nachsicht – dass das private Geld mit einem sehr geringen Anteil von (Mindest)Reserven abgesichert ist. Aber auch diese stören die privaten Gelderzeuger genauso wie die einfachen Bankkunden, die noch immer Bargeld sehen möchten. Dieses immer mehr versiegende Bargeldrinnsal ist der letzte dünne Zügel, der den Otto-Normalverbrauchern bleibt, um selbst mit Augen und Händen zu überprüfen, ob die Geschäftsbanken ihrer gesetzlichen Pflicht, Bargeld vorzuhalten, nachkommen. Bargeld gehört im wahrsten Sinne des Wortes jedem Staatsbürger. Er hat hundertprozentige Verfügungsrechte über dieses und kann damit die Bankenwelt zur Ordnung rufen.
Insofern ist es kein Wunder, dass sich die Geschäftsbanken von der Aufsichtsfunktion des Bargeldes befreien möchten. Sie befinden sich in einem Abhängigkeitsverhältnis: Ihr Giralgeld erhält seine Existenzberechtigung durch die Verpflichtung zur Bargeldauszahlung.
Warum wurde dem Bargeld von Regierungen und Zentralbanken eine Aufsichtsfunktion übertragen und zugetraut? Das geschah, weil das Geldsystem mehrere Sicherheitsstufen hat. Das Bargeld der Zentralbanken gewährleistet erstrangige Sicherheit, das Giralgeld zweitrangige, und immer stärker aufkommende weitere Formen privaten Geldes können lediglich drittrangige Sicherheit bieten. Hier sind die sogenannten Stable Coins (stabile Münzen) zu nennen, wie zum Beispiel der DIEM von Facebook. Sie sind durch Giralgeld abgesichert.
Und dann gibt es eine Geldform, die behauptet „sie brauche keine andere Geldform als Sicherheit“. Eine Sicherheit, die gegeben sein soll durch möglichst viele Menschen, die sie benutzen – den Bitcoin.
Die Sicherheit und Stabilität des Bargeldes wird durch die Arbeitsleistung der Bevölkerung und die Akzeptanz der Steuerzahler gesetzlich garantiert. Und dann gibt es noch andere Merkmale des Bargeldgebrauchs: die vertrauensvolle Beziehung zwischen Menschen.[3] Der Respekt der Privatsphäre. Die Bindung an einen konkreten Ort. Zeitliche Einschränkungen.
Ende des Bargelds oder: Geld als reine Information
Alle Eigenschaften des Bargeldes bzw. seiner Verwendung stören dessen Gegner. Sie mögen allein das Geld, das von überall nach überall geschickt werden kann, mit dem im Bruchteil einer Sekunde Millionen Zahlungshandlungen weltweit durchgeführt werden, das keines persönlichen Kontaktes und keiner vertrauensvollen Beziehung bedarf.
Im Grunde geht es den Gegnern des Bargelds darum, aus Geld eine reine Information zu machen. Denn Geld als Information ist weder an Zeit noch an einen Ort gebunden. Die Bargeldgegner sind an allen Informationen interessiert, die für eine störungsfreie Zahlungshandlung von Bedeutung sind. Das heißt: an allen Daten über die Menschen, die diese Handlung durchführen, über die Geldmenge und über die Sache, wozu das Geld verwendet wird.
Die Geldform, die selbst zu einem Datenfluss über die Zahlungshandlung geworden ist, ist digitales Geld. Wenn der Datencheck keine Blockierung der Zahlungshandlung auslöst, kann diese erfolgreich durchgeführt werden. Eine Blockierung der Zahlungshandlung führt entweder zu ihrer völligen Annullierung oder aber zum Einfrieren des „digitalen Geldes“ bei einem Intermediär in der digitalen Zahlungskette.
Die großen Akteure der digitalen Zahlungskette
In dieser Kette tummeln sich die großen Bargeldgegner aus BigFinance und BigTech. Beispielhaft seien genannt: Deutsche Bank, JPMorgan Chase & Co, Alibaba, Paypal, Klarna, Google, Microsoft, Amazon, Tencent. Aber auch – nicht zu vergessen – wohlwollende Zentralbanken, gefügige Regierungen und unbedarfte Parlamente. Im Hintergrund sind Akteure wie die „Better than cash alliance“ (Besser-als-Bargeld-Allianz) am Werk. Sie wird von der Bill und Melinda Gates Stiftung, der Mastercard Stiftung, den amerikanischen und deutschen Entwicklungshilfeministerien und anderen mehr gesponsert.[4]
Die digitale Nachrichtenübermittlung über die Zahlungstransaktionen funktioniert nach dem Plattformprinzip. Man kann von einer Plattformisierung des gesamten Vorgangs sprechen. Am Anfang steht Bank A, dann kommt die eigentliche Plattform, auf der sich Zahlungsdienstleister wie Klarna oder Paypal im engen Schulterschluss mit Waren- und Dienstleistungsverteilern wie Amazon und vielen anderen befinden, und am Ende steht die Bank B. Die anfängliche Konkurrenz zwischen Banken und Zahlungsdienstleistern ist inzwischen verschwunden. Die Banken merkten recht schnell, dass sie von einer Zusammenarbeit mit den Zahlungsdienstleistern nur profitieren können. Bieten Zahlungsdienstleister eigene Konten an, dann befinden sich auf der Plattform private Geldchips etwa von Paypal. Hierbei handelt es sich um eine Geldform drittrangiger Sicherheit bzw. drittrangiger Unternehmensschuldscheine.
Wie ist diese bunte Ansammlung von Akteuren, die an den Zahlungshandlungen beteiligt sind, unter einen Hut zu bringen? Die Antwort lautet: durch die Blockchain-Technologie. Ob sie von dem Pseudonym Satoshi Nakamoto, dem angeblichen Bitcoin-Erfinder ausgedacht wurde, lässt sich nicht beweisen. Vermutlich verbirgt sich dahinter der in Krypto-Kreisen als Genie geltende amerikanische Computer- und Rechtswissenschaftler Nick Szabo. Der hatte schon 1998 die Idee für eine digitale Währung mit dem Namen Bit Gold. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von Blockchain-Varianten, die auf Plattformen für zahlreiche Anwendungen eingesetzt werden und weit über den Geldtransfer hinausgehen.
Für die großen Akteure von BigFinance und BigTech ist Blockchain die ideale Technologie, um die Bargeldabschaffung vollständig durchzusetzen. Sie bedient sich der Kryptografie, also der Verschlüsselung und Anonymisierung von Daten, die gespeichert werden. Man kann sich eine Blockchain als ein Datenbank-Kassenbuch vorstellen, in dem Transaktionen sowohl in Form von Zahlungen als auch in Form von materiellen und immateriellen Gütern aufgezeichnet werden. Diese Aufzeichnungen bilden Datenblöcke, die in zeitlicher Reihenfolge in einer Kette aneinandergehängt und gespeichert werden. Eine nachträgliche Veränderung von Daten der Blockchain ist ausgeschlossen. Die Blockchain-Technologie arbeitet vertrauensfrei. Damit erfüllt sie genau die Bedingung, die in der digitalen Welt keine Rolle mehr spielt: Der Algorithmus tritt an die Stelle des Vertrauens.
Die entsprechende elektronische Vertragsform trägt den Namen Smart Contract. Ein Beispiel: Die Buchung von Flügen etwa findet über unzählige Ticketportale statt. Online muss man sich Schritt für Schritt weiterklicken, um den gewünschten Vermögenswert zusammenzustellen. Neben dem reinen Ticket können es zusätzliche Einzelteile wie Zusatzgepäck, Sitzplatzreservierung, Stornierung, Reiserückrittsversicherung oder Sondermahlzeit sein. Diese digitale Portionierung eines Vermögenswertes in Einzelteile (Token) wird Tokenisierung genannt. Jeder Klick beruht auf einer „Wenn-dann“-Anweisung. Wenn Sie einen Platz reservieren, bezahlen Sie 20 Euro.
Man kann von einer Art maschineller Konsensbildung sprechen. Es findet dabei eine Tokenisierung oder Portionierung sowohl von Vermögensgegenständen als auch von geldbasierten Zahlungshandlungen statt. Jede akzeptierte Anweisung wird in einem Computerprotokoll festgehalten, vertraglich abgesichert und in der Blockchain verschlüsselt gespeichert. Einmal gespeichert, kann die Anweisung nicht mehr geändert oder rückgängig gemacht werden, es sei denn, man klinkt sich aus und verlässt den Buchungsprozess oder beginnt den Vorgang von neuem. Beim letzten Klick fließt das Geld. Das heißt, alle gesammelten Informationen geben grünes Licht, um die Zahlungshandlung durchzuführen. Nach dem gleichen Prinzip der Kopplung von Informationen über Vermögenswerte mit Informationsflüssen über Zahlungshandlungen kann man sich den Kauf von Waren und Dienstleistungen jeder Art vorstellen.
Doch Smart Contracts bergen Probleme. Ist das Geld einmal geflossen, kann es in vielen Fällen nur mit großen Anstrengungen wieder zurückgeholt werden. Die ungesetzliche Zurückhaltung eines fremden Vermögenswertes – in diesem Falle des Geldes –, obwohl die Leistung nur unzureichend oder gar nicht erbracht wurde, lässt sich mit deutschem Recht nicht vereinbaren. Der Vorwurf zielt auf die Plattformbetreiber. Unzählige Beschwerden von Paypal- und Klarna-Kunden können im Internet nachgelesen werden. Die Zahl von Fluggästen, die auf eine Ticketerstattung wegen Aussichtslosigkeit ihrer Bemühungen verzichten, ist riesig. Und Marketplace-Händler beschweren sich massiv über das Geschäftsgebaren von Amazon.
EZB und die Blockchain-Technologie: zwischen Baum und Borke
Die EZB stellt den digitalen Euro als ein elektronisches Gegenstück und eine Ergänzung zum Bargeld dar, sieht ihn als Stabilitätsanker im digitalen Zeitalter. Diese Ausdrucksweise ist typisch für die Zentralbank. Man weiß nicht, woran man ist. „Digital“ ist nicht gleich „elektronisch“.[5] Mit „Ergänzung“ meint die Notenbank nichts anderes, als dass die Bargeldmenge – also die „elektronische“ Bargeldmenge einschließlich des physischen Anteils – größer sein sollen als jetzt.
Das ist geradezu utopisch, nachdem das Bargeld in den letzten Jahrzehnten auf breiter Front zurückgedrängt wurde. Sehr wahrscheinlich ist dagegen, dass die Menge des digitalen Euros sehr klein sein wird. Die Forderungen der Geschäftsbanken, die Menge des digitalen Euros, mit denen die Bürger direkt versorgt werden sollen, bei 3000 Euro zu deckeln, ist ein klares Signal, dass der digitale Euro seine Funktion als Stabilitätsanker nicht erfüllen kann.
So wenig, wie die die Zentralbank sich eindeutig für das Bargeld ausspricht, so wenig ist sie bereit oder in der Lage, ihre Position zur Blockchain-Technologie deutlich darzulegen: Der digitale Euro funktioniere so ähnlich wie eine Kryptowährung, sei aber keine Kryptowährung, weil er so wie Bargeld benutzt werden könne. Er würde also direkt in dem digitalen Geldbeutel jedes Bürgers landen, ohne ein Konto dazwischen. Er garantiere Rechtsgültigkeit und Sicherheit.
Immerhin benennt die EZB auch die Schwächen: Der Datenschutz und der Schutz der Privatsphäre könne nicht hundertprozentig garantiert werden. Er könne zu einer Bedrohung des Giralgeldes werden, indem die Bankkunden ihre Einlagen in den digitalen Geldbeutel der Zentralbank verschieben. Die Position der EZB lässt sich in dem orakelhaft anmutenden Satz „Prinzipiell ist die Blockchain-Technologie vielversprechend“ zusammenfassen.
Insofern ist es auch nicht überraschend, dass sie die Vorteile ihres digitalen Geldes so beschreibt wie alle Blockchain-Begeisterte. Reibungsloser Zahlungsverkehr in Sekundenschnelle, niedrige Kosten im Zahlungsverkehr, bekämpft kriminelle Aktivitäten wie Geldwäsche und Steuerhinterziehung, ermöglicht die finanzielle Inklusion. Die Zentralbanken befinden sich zwischen Baum und Borke. Die Blockchain-Technologie gibt die Richtung vor. Entziehen sie sich ihr, geraten sie in Hintertreffen. Und bei alledem müssen die Zentralbanker auch noch die Währungshoheit durch regulierende Eingriffe ausüben.
Die verschwiegenen Gefahren der Blockchain-Technologie
Der Kommunikationsstil der Bargeldgegner beruht auf dem Prinzip der Alternativlosigkeit, der Verkündigung und der Verlautbarung. Das ist eine Einbahnstraße, bei der es sich um ein mediales, mehr aber noch um ein demokratisches Missverständnis handelt. Die Zentralbank bemüht sich noch nicht einmal, alle ihre Texte zum digitalen Euro in deutscher Sprache zu veröffentlichen. Stattdessen präsentiert sie Dokumente, die nur für Menschen mit sehr guten Englischkenntnissen lesbar und verstehbar sind. Etwas Grundsätzliches zu den Konsequenzen einer rein digitalen Zahlweise erfährt man nicht.
Dabei sind diese Konsequenzen gravierend: Wenn nur noch digitale Zahlungen möglich sind, dann gibt es gar keine andere Möglichkeit mehr als die, durch Kennwort und Passwort an Vermögenswerte heranzukommen. Diese Vermögenswerte lassen sich dann – wie ausgeführt – auf einer Blockchain in Portionen zerlegen und Schritt für Schritt vertraglich absichern. Damit befinden sich die Nutzer auf einer vertraglichen Einbahnstraße, auf der sie Schritt für Schritt weiter geschubst werden. Wenn sie sich nicht mehr schubsen lassen, bekommen sie den Vermögenswert nicht. Sie sind sich nicht bewusst, dass der ganze Kaufverhandlungsprozess in Form von verschlüsselten Daten abläuft und sich die Schlüssel in den Händen von wenigen Menschen befinden. Wir werden also in Zukunft immer mehr von wenigen digitalen Gatekeepern abhängig sein, um Sachen zu erlangen, die für unser Leben wertvoll sind.
Doch es gibt noch andere Gefahren, die die Blockchain-Technologie mit sich bringt. Zum Beispiel die Cyberkriminalität. Ein Großteil der Finanzdelikte findet mit digitalem Geld statt. Dabei geht es um Milliardenbeträge. Hackerangriffe mit Erpressungen und Finanzdiebstahl sind die Regel. Das Schattenbankensystem, Offshore-Geldmärkte und Offshore-Unternehmen in Steueroasen profitieren davon. Von der Kryptoszene gibt es Verbindungen zum Deep Web und Darknet. Auf einem einfachen Stick können Millionen von Bitcoins transportiert werden. Der ehemalige EZB-Direktor Benoît Cœuré warnt, dass Kryptowährungen im Schattenbankensystem ein ergiebiges Betätigungsfeld finden. Die Datensicherheit ist nicht gewährleistet, kryptografische Systeme können geknackt werden.
Der heikle Punkt im Blockchain-Konzept: Es beansprucht einerseits Transparenz und Dezentralität und anderseits Anonymität. Das ist die Quadratur des Kreises. Experten sprechen von dem „Zauberwürfel“ Blockchain-Technologie.[6] Blockchain-Netzwerke von Google, Amazon, Facebook oder Uber sind selbstverständlich in starkem Maße zentralisiert. Es geht um Macht, und die lässt sich nicht dezentralisieren. Gleichzeitig sind die Skandale um Kryptowährungen, allen voran dem Bitcoin, mit dem unkontrollierbaren Auf und Ab ihres Wertes nicht mehr zählbar.[7]
Fehlende Fragen
Was würde bei Ausfällen der digitalen Zahlungsstruktur passieren, zum Beispiel durch Stromausfälle, Unwetter, Bankenkrisen, Terrorangriffe oder militärische Konflikte? Nichts ist darüber zu lesen, wie die Nutzer an ihr Geld kommen, wenn es keine Automaten mehr in erreichbarer Nähe gibt und sogar an den Bankschaltern kein Bargeld mehr ausgezahlt wird.[8] Nichts darüber, dass Negativzinsen bei völliger Digitalisierung des Geldes problemlos von Zentralbanken und Geschäftsbanken durchgedrückt werden können. Nichts darüber, warum die Menschen, nicht nur in Deutschland, zusammengenommen Milliarden von Euro „unterm Kopfkissen“ horten? Und dass die junge Generation unter 30 Jahren das besonders gerne tut. Ist ein Grund dafür das Misstrauen gegenüber den Verantwortlichen in der Bankenwelt? Und, um die Liste unvollständig abzuschließen, warum wird der gigantische Energieverbrauch von Kryptowährungen nicht zum gesellschaftlichen Thema?
Eine offene Kommunikation zum Für und Wider des Bargeldes würde den Bankkunden folgende Fragen stellen:
- Wissen Sie, dass Banken gesetzlich verpflichtet sind, Bargeld auszuzahlen?
- Wünschen Sie eine Gesellschaft, in der nur noch eine bargeldlose Zahlung möglich ist?
- Haben Sie mehr Vertrauen in Bargeld oder in elektronisches/digitales Geld?
- Welche Geldform gibt Ihnen ein größeres Sicherheitsgefühl: Bargeld oder elektronisches/digitales Geld?
- Sind Sie einverstanden mit der Art und Weise, wie Banken die bargeldlose Zahlung einführen?
Ursachen für die Abschaffung des Bargeldes
Entscheidender Auslöser für das Projekt „Bargeld-Abschaffung“ dürfte die Finanzkrise 2008 gewesen sein. Es fällt schwer an einen Zufall zu glauben, als genau im gleichen Jahr das sogenannte Whitepaper “Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System” unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto veröffentlicht wurde. In ihm wurde der Welt eine dezentrale Währung vorgestellt – der Bitcoin. Seine Geburtsstunde war der 3. Januar 2009, die notwendige Technologie lieferte die Blockchain. Für deren weitere Entwicklung und breitere Anwendung ist von besonderer Bedeutung, dass sie sich um 2014 von Bitcoin zu lösen begann.
Die gesamte Banken- und Finanzwelt als auch die Internet-Giganten wurden aufmerksam auf diese Technologie. Hier bot sich eine technische Möglichkeit, Informationsströme über Zahlungshandlungen – also Geld – mit Informationen über Warenströme zu koppeln und dann beides, das Geld (als Information) und die konkreten Waren über Plattformen an ihren Bestimmungsort zu lenken. Und – jetzt kommt das Entscheidende – so störungsfrei von äußeren Faktoren wie überhaupt möglich. Der einzige Störfaktor ist noch das Bargeld. Es ist das letzte Hindernis, um den Geld- und Warentransport rund um den Erdball so wasserdicht wie möglich und damit so renditeträchtig wie möglich zirkulieren zu lassen.
Mit der Abschaffung des physischen Bargeldes und der absoluten Dominanz digitaler Geldsysteme steuern wir geradewegs in die Welt der Kryptowährungen und Kryptogelder.
Folgende Gefahren können sich unter anderem auftun: Wer das Bargeld abschafft, riskiert ein starkes Geldmengenwachstum und damit die Gefahr von steigenden Preisen – das prognostizierte schon vor 80 Jahren der berühmte Ökonom John Maynard Keynes in seinem Buch „Vom Gelde“.
Mit dem Fokus auf der Zahlungshandlung gerät aber die „unbequeme“ Frage der Geldschöpfung, der Erzeugung der Geldmenge aus dem Blickfeld. Geld ist lediglich das, was man damit macht. Punkt. Reiner Zufall? „Dass hinter Bitcoin kein physischer Wert stehe, spiele für junge Leute keine allzu große Rolle“, sagt Alfred Taudes vom Institut für Kryptoökonomie der WU Wien.
Der Bitcoin- und Krypto-Fan, Multimilliardär Elon Musk scheint da aber ganz anderer Meinung zu sein. Er sperrt seine Arbeiter in seiner Tesla-Firma in Shanghai ein und lässt sie auf dem Boden schlafen. Er ist begeistert von der chinesischen Arbeitskultur. Vielleicht sollten wir alle und nicht nur die jungen Leute einmal darüber nachdenken.
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