Wärmewende

Carsten Herbert: „Im Moment ist das fehlgeleitetes Geld“

| 20. Mai 2025
Callum Blacoe / Unsplash

Nach der Novelle des Gebäudeenergiegesetzes vom April 2023 soll das Heizen im Privaten sukzessive ohne fossile Energieträger auskommen. Die Kritik war laut, Hausbesitzer sahen sich plötzlich mit teuren Umbaumaßnahmen konfrontiert. Die Debatte über das sogenannte Heizungsgesetz bleibt verfahren.

Das Gebäudeenergiegesetz sollte ein elementarer Baustein der Wärmewende werden. Allerdings stehen das Gesetz sowie der verantwortliche Noch-Wirtschaftsminister Robert Habeck stark in der Kritik. Deshalb wurde von einigen Parteien im Wahlkampf eine Rückabwicklung versprochen. Es fehle ein sozialer Ausgleich im Gesetz, monierten Kritiker aus allen politischen Lagern. Aktuell geht dieser Ausgleich, nämlich die staatliche Förderung, mit einer Beratung einher, an die die Fördersummen geknüpft sind. Und genau hier liegen Probleme der Wärmewende. Ein Interview mit Carsten Herbert, alias „Der Energiesparkommissar“, Deutschlands bekanntestem Energieberater. Lesen Sie hier Teil 2:

---------

Herr Herbert, die Konfliktlinie bezüglich des GEG war mehr oder weniger die zwischen fossiler Heizung versus Wärmepumpe. Man bekommt als Beobachter den Eindruck, dass diese Vereinfachung die komplexe Situation der Energieberatung und der Energiewende etwas überdeckt.
Will heißen, wichtige Fragen – zum Beispiel: Wie saniert man an den Altbaubestand vernünftig? Wie kann man effiziente Neubauten gewährleisten? – werden in den Hintergrund gedrängt. Was würden Sie sagen: Ist das GEG, wie es jetzt gemacht wurde, ein sinnvoller Schritt auf dem Weg zur Wärmewende, oder hätte man woanders ansetzen sollen?

Das Gebäudeenergiegesetz und die Förderlandschaft, einschließlich Sanierungsfahrplan, würde ich erstmal komplett trennen. Das eine ist eine gesetzliche Vorgabe: Wenn wir in Zukunft etwas tun, müssen wir auch an die Energieeffizienz denken. Heißt beispielsweise, ich gehe an meine Außenwand ran und ab einem gewissen Punkt muss ich dann auch Dämmung aufbringen, wenn es wirtschaftlich ist.

Das Wirtschaftlichkeitsgebot steht ohnehin immer über allem. Das GEG schreibt vor, dass wenn etwas am Haus gemacht wird, es gewisse Mindestanforderungen gibt, die einzuhalten sind. Das ist auch sinnvoll, weil es auf die zukünftige Wärmewende ausgerichtet ist. Also den Schritt weg von fossilen Energieträgern. Es fokussiert die Dekarbonisierung, insbesondere durch die Wahl der richtigen Anlagentechnik.

Ziel ist es, erneuerbare Energien in den Sektor zu bringen. Das sind vorrangig Wärmepumpen bei dezentralen Systemen. Und es geht darum, bei baulichen Sanierungen auch auf Wärmeschutz zu achten. Das sind alles Dinge, die es schon immer gibt, nicht erst seit dem GEG. Bei der Wärmeschutzverordnung 1995 war das teilweise auch schon so. Es hat sich im Prinzip nichts an den Vorschriften geändert, sie sind nur ein bisschen verschärft worden. Seit 1995 sind die Verschärfungen aber auch nicht so kritisch, dass man als Hauseigentümer massive Überforderung spüren sollte. Die Maßnahmen, die heute im GEG stehen, sind letztlich Wärmeschutzmaßnahmen, die sich in der Praxis bereits ohnehin etabliert haben und sind von der Bauwirklichkeit daher meist längst überholt. Nach meiner Einschätzung stand noch nie etwas in einem Gesetz zur Energieeffizienz, das nicht ohnehin schon Baustandard war. Dieser Baustandard ist im Prinzip ein Vorläufer der Gesetze.

Was das GEG betrifft können wir erstmal sagen „Haken dran“, das, was da drinsteht, ist in großen Teilen sinnvoll. Man kann sich vielleicht noch über einzelne Paragrafen oder Formulierungen streiten, aber nicht über das Grundsätzliche.

Mit anderen Worten, dieser gesellschaftliche Disput, der da aufgegangen ist, hat sich zu sehr auf einen vorgeschobenen Dualismus von zwei Technologien konzentriert und dadurch die Feinheiten der Erwägungen überlagert?

Ich habe noch ein eigenes Erklärungsmodell: Wir haben eine sehr starke Presse für das konservative Lager, allen voran die Springerpresse mit der Bild-Zeitung. Die hatte bis vor kurzem einen Mehrheitseigner, nämlich den US-Investor KKR. Das ist eine Firma, die ihr Geld mit fossilen Energien verdient und da ist eine Technologie wie die Wärmepumpe natürlich eine aktive Bedrohung ihres Geschäftsfeldes. Die Redaktionen haben das Thema also ziemlich stark abgedeckt und die Wärmepumpe zum Hassobjekt mutieren lassen. Das wurde durch Lobbycontrol entsprechend nachgewiesen.

Man sieht also einen Zusammenhang gibt zwischen der Rezeption des GEG und den damaligen Anteilseignern der Springer-Presse. Man zeichnete ein maximal negatives Bild von der neuen Technologie an sich und auch die Macher des GEG wurden mit in die Verantwortung gezogen. Obwohl es ja ursprünglich die CDU war, die das Gesetz auf den Weg brachte, waren dann aber die Grünen im Fokus, die den Wirtschaftsminister stellten. Das war eine gemachte Desinformationskampagne in riesigen Ausmaßen. Ich meine, um die 200 Artikel zu dem Thema „Heizhammer“ gab es in der Zeit der Ampel.

Ich erinnere mich, dass die Bild das prägende Medium in dieser Debatte war. [i]

Ja, und die Leser der Bild haben die Desinformation als Wahrheit angenommen. Wenn ich heute auf meinen Veranstaltungen davon erzähle und erkläre, wie Wärmepumpen funktionieren und dass sie im Altbau auch funktionieren, sind die Leute erstmal erstaunt, dass auch sie dieser Kampagne auf den Leim gegangen sind. Sobald aber das Chaos im Kopf der Menschen weg ist, sind die meisten auch wieder ernsthaft bereit, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Alles in allem ist das GEG auf jeden Fall deutlich besser als die öffentliche Meinung darüber. Worüber man sich aber tatsächlich streiten kann, das ist nicht das GEG, sondern die Förderung, also die „Bundesförderung für effiziente Gebäude“, abgekürzt BEG.

Bei der Frage nach dem sozialen Ausgleich kommt die BEG dann ins Spiel?

Ja. Und da haben wir das ganz große Problem, dass im Moment eine höhere Förderung generiert wird, wenn ich mehr Geld ausgebe. Das heißt Menschen, die Geld haben, haben auch die Möglichkeit über die Förderung, an mehr Geld zu kommen. Das ist aber der verkehre Ansatz. Die Förderung müsste eigentlich einkommensabhängig gedeckelt sein und gerechter verteilt werden, was im Moment noch nicht der Fall ist.

Nochmal zur Förderung: Wie kommt es, dass Bauherren mit größerem Geldbeutel größere Fördersummen akquirieren können?

Eben waren wir noch bei der Förderung von Wärmepumpen, es gibt ja aber auch noch die Förderung für Wärmeschutz. Und da liegt schon das erste ganz große Problem. Wärmeschutz wird viel weniger gefördert als Anlagentechnik. Obwohl der Effekt für das Klima möglicherweise gleich groß ist, bekomme ich für eine Wärmepumpe mindestens 50 Prozent Förderung, für einen Wärmeschutz aber nur 15? Diese Diskrepanz lässt sich mit den Klimaeffekten, die wir mit einem Euro aus dem einen und anderen erzielen können, nicht erklären.

Was aber mit viel Geld gefördert wird, ist, wenn man sein Haus auf einen sehr hohen Standard bringt. Je höher der Standard ist, den ich schaffe, umso größer ist der Fördersatz und umso größer ist am Ende auch der sogenannte Tilgungszuschuss, also der Betrag, den ich nicht zurückbezahlen muss. Das ist letztlich Nonsens. Warum? Weil wir, wenn wir die Dekarbonisierung als Hauptziel haben, jedes Haus erst mal nur auf einen Stand bringen müssen, den man als wärmepumpengeeignet bezeichnen könnte. Wärmepumpentauglichkeit ist eine wichtige Zwischenetappe der Wärmewende. Und die ist viel, viel früher erreicht als der Status Effizienzhaus (EH) mit den Abstufungen EH85, EH70, EH55, EH40 (Anm. d. Red.: Energiestandardmodell der KfW).

Was bedeuten die Zahlen?

Das lässt sich leider nicht in einem Satz erklären. Es gibt ein sogenanntes Referenzgebäude. Dieses Referenzgebäude war in einer der früheren Versionen der Energieeinsparverordnung (EnEV) der Neubaustandard.

Damals waren Neubauten, die den energetischen Standard des Referenzgebäudes unterschritten, also besser waren, zusätzlich gefördert (EH 85 und besser).

Mittlerweile ist der Neubaustandard beim Effizienzhaus 55 (EH55) angekommen. (Anm. d. Red.: Je kleiner die Zahl, desto geringer der Energieverbrauch. Eine kleine Zahl zeigt also hohe Energieeffizienz.)

Die Förderstandards werden aber weiterhin nach dem alten Referenzgebäudemodell bemessen. Im Altbau gab es früher die Einstiegsförderung ab der Stufe Effizienzhaus 130. Als dieses Referenzgebäude 2009 eingeführt wurde, bekam man mit diesem Effizienzhaus 130, sprich 30 Prozent schlechter als Neubaustandard, die Einstiegsförderung. Dann wurden die Förderstandards im Altbau nach und nach unten erhöht. Erst wurde das EH 130 abgeschafft, dann das EH 115.

Mittlerweile gibt es die Einstiegsförderung bei der bei der Altbausanierung ab der Stufe Effizienzhaus 85 – besser als das ursprüngliche Referenzgebäude für den Neubau. Das ist aber sehr viel besser als wir es brauchen, um die Wärmepumpentauglichkeit zu erreichen. Effizienzhaus 130 oder 115 – das war schon früher eine sinnvolle Einstiegsvariante und daran hat sich nichts geändert.

Heißt, es werden teure Maßnahmen gefördert, die wenig Einsparung bringen, statt bei den wirklich sanierungsbedürftigen Gebäuden große Wirkung zu erzielen?

Im Prinzip müssten die sehr hohen EH-Standards abgeschafft werden, da sie viel zu viel Geld kosten und zu wenig bringen. Es sind nur wenige Hauseigentümer, die hohe Förderbeträge in Anspruch nehmen, die ohnehin das nötige Kapital für aufwendige Maßnahmen haben. Das ist sozial nicht ausgewogen. Daher müsste die Einstiegsförderung beim Effizienzhaus viel niedriger sein und man sollte einen sozialen Aspekt, wie eine einkommensabhängige Staffelung, mit reinbringen, durch die diejenigen, die wenig auf der hohen Kante haben, mehr bekommen. Wer ein hohes Einkommen hat, bekäme zwar auch eine Förderung, aber eben nicht die höchste. Dann wäre es sozial ausgewogen. Wie es aber im Moment gestaltet ist, ist das fehlgeleitetes Geld.

Wie sieht das mit den Gebäuden aus, die einen besonders schlechten energetischen Standard haben? Müsste man nicht vorrangig dort ansetzen?

Genau. Für Besitzer dieser Gebäude müsste es eine höhere Motivation geben, erstmal die wärmepumpentaugliche Effizienzhaus 130 Variante zu realisieren. Das ist deutlich günstiger als die aktuelle Förderung besonders hoher Standards. Man würde mit den vorhandenen Fördertöpfen viel mehr Menschen und Häuser erreichen.  Außerdem sollte man den Fokus stärker auch auf die kleinen und geringinvestiven Maßnahmen lenken, anstatt bereits energetisch gute Häuser aufwendig und für die Dekarbonisierung unnötig auf einen noch höheren Standard zu heben. Der Effekt wäre bei gleichem Kapitaleinsatz viel größer. Man sollte die Wärmepumpentauglichkeit (nach Ifeu-Institut Heidelberg „WP ready“) als oberstes Ziel definieren. Dann müssten wir weniger tun, kämen schneller zum Ziel, und nähmen auf dem Weg mehr Menschen mit.

-------

[i] Anm. d. Red.: Nach einer Studie aus dem Jahr 2024 weißt die Bild-Zeitung zu diesem Thema die mit Abstand höchsten Interaktionswerte unter Online-Medien auf (Likes, Shares, Kommentare). Gleichzeitig wird etwa ein Viertel ihrer Aussagen als inhaltlich irreführend eingestuft. Eine vergleichbare Zahl an irreführenden Informationen sei nur bei Medien des extremen linken Rands zu erkennen. Medien des rechten Rands berichteten überwiegend (etwa 75 Prozent) irreführende Informationen.