Streitfall Beamtenpension
Arbeitsministerin Bärbel Bas will Beamte in das System der Gesetzlichen Rentenversicherung einbinden. Deren Privilegien in der sozialen Sicherung sind weder ökonomisch noch arbeitsrechtlich begründbar. Aber sie mit den Angestellten im Öffentlichen Dienst gleichzustellen, ist ein komplizierter Prozess.
Gleich bei Amtsantritt hat Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) einen politischen Aufschlag gemacht und sich für die Gleichstellung von Beamtinnen und Beamten mit den Angestellten im Öffentlichen Dienst in der Altersversorgung ausgesprochen. Sie weiß sicher, dass sie gegenwärtig geringe Chancen hat, dieses Ziel zu realisieren. Dafür ist weder in der Merz-Regierung noch im Bundesrat eine Mehrheit in Sicht. Aber sie ist damit politisch in die Offensive gekommen und hat die vom früheren CDU-Generalsekretär Heiner Geißler aufgestellte Regel fürs politische Handwerk beherzigt: „Themen besetzen und Streit anfangen.“
Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) hat das Thema Beamtenpensionen am 18. Mai 2025 in einem ganzseitigen Artikel aufgegriffen. Dessen Autorin versucht erst gar nicht, irgendwelche ökonomischen Begründungen für die Privilegien des Beamtenstatus zu konstruieren. Die durch sie auf den Fiskus zukommenden Belastungen lassen sich sachlich nicht begründen.
Die FAS-Autorin bezieht sich in ihrem Problemaufriss vor allem auf den Ökonomen Manfred Werding (Uni Bochum), ein dem Arbeitgeberlager zuzuordnendes Mitglied des Wirtschafts-Sachverständigenrates.[1] Er tritt für eine einheitliche Besoldung und Alterssicherung im Öffentlichen Dienst ein, betont aber auch die politischen Probleme bei der Umsetzung dieses Postulats.
Duale soziale Sicherung im Öffentlichen Dienst
Früher waren die meisten Beschäftigten im Öffentlichen Dienst verbeamtet, heute haben über 60 Prozent von ihnen den Angestelltenstatus. Für sie gilt im Bund und in den Kommunen das Tarifvertragssystem TVÖD, die Länder haben ähnlich strukturierte Tarifverträge. Die Ergebnisse der Tarifvertragsverhandlungen werden in der Regel im Beamtenrecht übernommen.
Die Beamtinnen und Beamten haben eine arbeitsrechtliche Sonderstellung, die sich auf den Artikel 33 im Grundgesetz bezieht. Dort heißt es im Absatz 5: „Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.“ Die „hergebrachten Grundsätze“ beruhen auf dem Alimentationsprinzip, wonach die Kommunen, Länder und der Bund für ihre Beamtinnen und Beamten wie früher die feudalen Herrscher lebenslang zu sorgen haben. Sie erhalten nach dem Erreichen der Altersgrenze Pensionen, deren Höhe sich nach der Zahl der Dienstjahre und der letzten Besoldungsstufe vor der Pensionierung richtet. Sie beträgt maximal 71,75 Prozent des letzten Gehalts nach 40 Dienstjahren.
Angestellte im Öffentlichen Dienst erhalten hingegen eine gesetzliche Rente, die sich wie bei allen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten an den im Laufe des Berufslebens in die Gesetzliche Rentenversicherung (GRV) eingezahlten Beiträgen orientiert. Hinzu kommt eine kapitalgedeckte Zusatzversorgung, deren Höhe sich ebenfalls nach dem Äquivalentprinzip gestaltet wird. Dadurch sind Renten der Angestellten in der Regel deutlich geringer als die nach der letzten Besoldungsstufe berechneten Beamtenpensionen.
Die Beamten sind auch in der gesundheitlichen Versorgung finanziell bessergestellt als die Angestellten des Öffentlichen Dienstes. Sie erhalten eine staatliche Beihilfe von 50 Prozent der Behandlungskosten, Pensionäre erhalten 70 Prozent. Kinder und nicht berufstätige Partner(innen) sind entweder komplett oder anteilig mitversorgt.
Fast alle Beamtinnen und Beamten haben eine die Restkosten absichernde private Krankenversicherung. Sie stellen etwa die Hälfte der vollversicherten PKV-Mitglieder und haben keinen gesetzlich geregelten Anspruch auf Mitgliedschaft in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Allerdings bieten einige Länder ihren verbeamteten beschäftigten die Möglichkeit, anstelle der Beihilfeleistungen einen Zuschuss für die Mitgliedschaft in der GKV zu erhalten.
Angestellte müssen als Rentner den auf ihre Rente bezogenen hälftigen Beitragssatz in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) inclusive Zusatzbeitrag zahlen. Die andere Hälfte trägt die Gesetzliche Rentenversicherung (GRV). Auch von den Betriebsrenten wird der hälftige Beitragssatz der Krankenkassen abgezogen. Für mich als pensioniertem Beamten bedeutet das zum Beispiel, dass mein Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag etwa 150 Euro höher ausfallen würde, wenn ich Angestellter gewesen wäre.
In der Krankenversicherung kommt noch ein erhebliches Einsparpotenzial durch die Integration der Beamtinnen und Beamten in die GKV hinzu. Die staatliche Beihilfe gibt für die gleichen Leistungen etwa ein Drittel mehr aus als die GKV. Das betrifft insbesondere die ambulante ärztliche Versorgung, wo sowohl die PKV als auch die staatliche Beihilfe ihre Vergütungen nach der Gebührenordnung Ärzte bzw. Zahnärzte (GOÄ, GOZ) richten. Diese bietet durch Hebesätze und andere Bewertungsmechanismen komfortable Abrechnungsmöglichkeiten mit mehr als doppelt so hohen Vergütungen wie in der vertragsärztlichen Versorgung in der GKV.
Davon profitieren vor allem Facharztpraxen, die zwischen 30 und 50 Prozent ihrer Umsätze mit PKV-Versicherten machen, obwohl die nur 10 Prozent der Patientinnen und Patienten ausmachen. In der stationären Versorgung und bei Arzneimitteln erstatten die PKV und die Beihilfe in etwa die gleichen Beträge wie die GKV. Die Verwaltungskosten je versicherte Person sind zudem in der PKV doppelt hoch wie die in der GKV.
Alles in allem könnten die GKV-Beitragssätze je nach Höhe der Beitragsbemessungsgrenze um bis zu drei Prozentpunkte niedriger sein, wenn es ein einheitliches Krankenversicherungssystem für alle Erwerbstätigen gäbe. Nicht nur der Staat, auch die Arbeitgeberverbände müssten daher eigentlich entschiedene Anhänger einer Bürgerkrankenversicherung sein, weil die zu niedrigeren Sozialabgaben führen würde. Ihr öffentliches Belkenntnis zur dualen Krankenversicherung von GKV und PKV ist ein gutes Beispiel für Irrwege, die man beschreitet, wenn man der eigenen Ideologie aufsitzt.
Kurzfristige Vorteile des Beamtenstatus
Der Beamtenbund verteidigt die Beamtenprivilegien mit der Behauptung, ihre Abschaffung käme den Staat teuer zu stehen, weil er neben den bestehenden Pensionsansprüchen auch die dann anfallenden Sozialversicherungsabgaben für die nachwachsenden Beamten zahlen müsste. Diese Doppelbelastung sinkt in dem Maß, wie die Zahl der pensionsberechtigten Beamtinnen und Beamten abnimmt. Langfristig werden die Staatshaushalte deutlich entlastet.
Dieser Sachverhalt trifft vor allem in den Kommunen und den Ländern, in denen die große Mehrheit der Beamtinnen und Beamten beschäftigt sind, auf eine eher kurzfristig orientierte Fiskalpolitik. Berlin hat zum Beispiel vor etlichen Jahren damit begonnen, Lehrerinnen und Lehrer im Angestelltenverhältnis zu beschäftigen. Mittlerweile ist man aus zwei Gründen wieder zur Verbeamtung zurückgekehrt. Zum einen kann damit der Landeshaushalt durch die sinkenden Sozialabgaben kurzfristig entlastet werden. Der zweite Grund für diese Kehrtwende sind wachsende Probleme in der Rekrutierung von Lehrkräften. Das benachbarte Land Brandenburg bietet diesen nicht nur teilweise höhere Vergütungsstufen, sondern auch den Beamtenstatus. Deshalb sind Lehrerinnen und Lehrer ins brandenburgische Umland abgewandert.
Allgemein wird der Anspruch auf eine bessere Altersversorgung als Preis für ein gegenüber der Privatwirtschaft niedrigeres Gehaltsniveau der Beamten betrachtet. Aber das stimmt nur noch bedingt. Nur in Führungspositionen sind die Beamtengehälter deutlich niedriger als in der Privatwirtschaft. Staatssekretäre, Behördenleiter oder Abteilungsleiter in Ministerien erhalten nur einen Bruchteil der Gehälter, die in großen Industrieunternehmen oder Bankgesellschaften für entsprechende Aufgaben gezahlt werden. Aber auch die Altersbezüge von Unternehmensvorständen sind in der Regel deutlich höher als die Pensionen leitender Staatsdiener. Bei denen spielen bei der Berufswahl offensichtlich andere Motive als Geld eine Rolle, über die nur spekuliert werden kann.
Reform der sozialen Sicherung um Öffentlichen Dienst
Die oben geschilderte Sonderstellung der Beamtinnen und Beamten in der sozialen Sicherung lässt sich nicht mit dem erwähnten Artikel 33 des Grundgesetzes begründen. Der verpflichtet den Staat nur zu einer angemessenen sozialen Sicherung der Staatsdiener. Die wäre auch mit den für die Angestellten des Öffentlichen Dienstes geltenden Regelungen gewährleistet.
Die FAS bezieht sich in ihrem Artikel auf den Ökonomen Manfred Werding, der den Arbeitgeberverbänden als Berater dient. Für ihn gehört das Beamtenverhältnis auf den Prüfstand. Zwar spreche einiges dafür, das Treueverhältnis zum Staat durch einen hohen Kündigungsschutz zu belohnen. Aber das Pensionssystem solle in ein zweigleisiges System aus gesetzlicher Rente und kapitalgedeckte Betriebsrente überführt werden.
Das wäre nichts weiter als eine Gleichstellung der Beamtinnen und Beamten mit den Angestellten, für die es ein solches System seit Jahrzehnten gibt. 1951 wurde die in der Weimarer Republik 1929 gegründete Zusatzversorgungsanstalt des Reichs und der Länder im öffentlichen Dienst in Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VLB) umbenannt. Sie soll die Altersversorgung der Angestellten und Arbeiter im öffentlichen Dienst durch eine kapitalgedeckte Zusatzversorgung zur gesetzlichen Rente dem Beamtenpensionen annähern. Die von der VLB ausgezahlten Renten orientierten sich bis 2001 wie bei den Beamten an den Gehältern der letzten aktiven Berufsjahre. Dann wurden sie auf das in der GRV geltende System von Rentenpunkten umgestellt und werden damit nach dem Äquivalenzprinzip an der Höhe der eingezahlten Beiträge errechnet.
Man muss davon ausgehen, dass eine Anpassung der Beamtenpensionen an die für die Angestellten geltenden Regeln auf großen Widerstand stoßen und mit einiger Sicherheit als Causa beim Bundesverfassungsgericht landen wird. Das gilt auch für die Einbindung der Beamtinnen und Beamten in die GKV. Die wird sich vor allem die Versicherungswirtschaft nicht gefallen lassen. Die Hälfte der Vollversicherten in der PKV sind verbeamtet, und ihr Ausscheiden aus dem Geschäftsmodell der PKV wäre der Anfang von dessen Ende.
Der Knackpunkt einer Einbindung der Beamtinnen und Beamten in die GKV ist der Umgang mit den Altersrückstellungen der PKV. Rein ökonomisch betrachtet wäre das kein Problem. Etwa ein Drittel ihrer Beitragseinnahmen wandert in Fonds, mit denen die mit dem Alter wachsenden Behandlungskosten finanziert und damit alterungsbedingte Beitragserhöhungen vermieden werden können. Das dadurch angehäufte Vermögen könnte in den Gesundheitsfonds der GKV übertragen werden. Damit wäre ihr Zweck, die höheren Behandlungskosten im Alter abzudecken, erfüllt.
Aber so einfach ist die Sachlage leider nicht. Die Eigentumsverhältnisse dieses gegenwärtig 328 Milliarden Euro umfassenden Vermögens sind juristisch nicht geklärt. Es gehört im Prinzip der Versichertengemeinschaft, aber es ist offen, welchen Anteil dieses Fonds nicht nur die einzelnen Versicherten, sondern auch die Versicherungen für sich beanspruchen können. Der bei einer Überführung der Beamtenschaft in die GKV verbundene Rechtsstreit über diese Frage wird sich über viele Jahre hinziehen und mit Sicherheit beim Bundesverfassungsgericht landen.
Ausblick
Angesichts der allgemeinen politischen Gemengelage ist nicht damit zu rechnen, dass der Vorstoß von Bärbel Bas zu einer Reform der Alterssicherung von Beamtinnen und Beamten führen wird. Diese wäre aus der ökonomischen und sozialen Perspektive absolut sinnvoll. In Österreich hat man die Einbindung der Beamtinnen und Beamten in das allgemeine Sozialversicherungssystem vor viele Jahren begonnen und mittlerweile abgeschlossen. Durch diese und andere Maßnahmen zur Erweiterung des sozialversicherungspflichtigen Personenkreises ist das Niveau der gesetzlichen Renten in Österreich deutlich höher als in Deutschland.
Allerdings ist Bärbel Bas mit ihrer Initiative politisch in die Offensive gekommen. Das belegt indirekt der hier zitierte Artikel in der FAS, der die Abschaffung der Beamtenprivilegien prinzipiell befürwortet. Dagegen wird die Schwesterredaktion in der FAZ nicht müde, mit Fakes und haltlosen Argumenten das Sozialversicherungssystem zum Sündenbock für volkswirtschaftliche Problem aller Art zu machen.
Nicht der Erhalt und die Stabilisierung unseres Sozialversicherungssystem ist begründungspflichtig, sondern dessen Umwandlung in ein privates Geschäftsmodell, das nur einen Gewinner kennt: die globale Finanzwirtschaft.
-------