Editorial

Im EU-Dschungel

| 06. Juni 2024
Quelle: FDP-Pressearchiv

Liebe Leserinnen und Leser,

willkommen in einer neuen Woche. Am Sonntag findet bundesweit die Europawahl statt – und schließt unsere Reihe mit dem Schwerpunkt Europa ab.

Bei einer großen Staatengemeinschaft wie der EU hat der Urnengang ebenso große Dimensionen: Es gibt gut 360 Millionen wahlberechtigten EU-Bürger. Allein die deutschen Staatsbürger können für 34 Parteien und politische Vereinigungen votieren – Europaweit werden über 200 Parteien antreten, die sich derzeit in sieben Fraktionen zusammenfinden oder fraktionslose Abgeordnete stellen.  

Bei dieser schier unüberblickbaren Auswahl an Parteien und Abgeordneten sowie dem Brüsseler Bürokratiedschungel ist es nachvollziehbar, dass der Wahlkampf vor allem auf bekannte Gesichter setzt.

Die SPD „versteckt“ den Spitzenkandidaten der europäischen Sozialdemokraten, den früheren Arbeitsminister Luxemburgs Nicolas Schmit, ist unserem Autor Martin Höpner aufgefallen. Stattdessen küren die deutschen Sozialdemokraten ihre Europaparlamentsabgeordnete Katharina Barley zur Spitzenkandidatin – auf sie komme es gemeinsam mit Kanzler Olaf Scholz an. Kein konsistenter Wahlkampf, erkennt Höpner. Noch bei der letzten Europawahl propagierte die SPD das „EU-weite Spitzenkandidaten-Prinzip“.

Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) zeigt allein durch den Parteinamen, wer im Vordergrund steht. Doch das BSW habe auch inhaltlich etwas zu bieten, argumentiert der wissenschaftliche Mitarbeiter für das BSW Julien Niemann. So fänden sich zentrale nachfrageorientierte Passagen im Europawahlprogramm der Partei, die durchaus auch ohne Wagenknecht funktionieren.

Licht ins Dunkel des Bürokratieriesen EU bringt seit einigen Jahren der fraktionslose Abgeordnete Martin Sonneborn. In seinem Interview mit MAKROSKOP-Redakteur Malte Kornfeld legt er Fakten aus Brüssel offen, die fast von einem Whistleblower stammen könnten.

Diese und weitere Themen finden Sie in unserer neuen Ausgabe:

  • Spitzenkandidaten? Die SPD hält das Prinzip europäischer Spitzenkandidaten hoch. Das erweist sich bei Licht besehen als Heuchelei. Denn in ihrem Wahlkampf kommt Spitzenkandidat Nicolas Schmit praktisch nicht vor. Martin Höpner
  • Ein Programm für die europäische Demokratie Das Europawahlprogramm des Bündnis Sahra Wagenknecht steht. Es geht um mehr nationale Souveränität gegenüber Brüssel und eine nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik. Julien Niemann
  • Drei Fragen an Martin Sonneborn Wenn Politik zunehmend wie Realsatire wirkt, wer wäre dann nicht besser für diesen Job geeignet als ein Satiriker? Martin Sonneborn ist so einer. Anlässlich der Europawahl haben wir ihn interviewt. Malte Kornfeld
  • Eine schlechte Wahl für die Wirtschaft Nach der Europawahl will die EU den Binnenmarkt reformieren und die Wettbewerbsfähigkeit stärken. Doch die Agenda aus Brüssel verheißt nichts Gutes. Statt in den Green Deal zu investieren und die Nachfrage zu stützen, geht es um Rüstung, Sanktionen und Handelskrieg. Es ist ein toxischer Mix. Eric Bonse
  • KI: Prüfstein einer demokratischen Ökonomie Dass Künstliche Intelligenz kein reiner Jobkiller ist, wie lange befürchtet, ist keine neue Erkenntnis mehr. Für die Politik ist das dennoch kein Grund, sich zurückzulehnen. Denn der technologische Wandel erfordert nicht nur Interventionen auf dem Arbeitsmarkt. Lukas Poths
  • Der Mythos von der Unabhängigkeit der Zentralbanken Die Bank of England hat es nicht vermocht, wirksam auf die schlimmste Inflation seit vier Jahrzehnten zu reagieren. Das zeigt: Die Vorstellung, dass Finanz- und Geldpolitik voneinander getrennt werden können, ist überholt. Robert Skidelsky
  • Ein vorhersehbares Eigentor Das gelbe Finanzministerium buhlt mit einer Zeitungskampagne um die Gunst junger Menschen für die Schuldenbremse. Die Zielgruppe könnte jedoch kaum schlechter sein. Malte Kornfeld
  • „Journalisten sollten erklären, was hinter den Zahlen steckt“ Wirtschaftsjournalismus müsse aufklären, statt Verbrauchertipps zu geben, sagt Henrik Müller. Genau das aber komme zu kurz, so das Fazit seiner Studie über die Berichterstattung der Öffentlich-Rechtlichen. Justus Krause
  • Die USA auf Isolationskurs Im Zuge des Gaza-Krieges isolieren sich die Vereinigten Staaten zunehmend durch ihre bedingungslose Solidarität zu Israel. Weiterhin der USA zu folgen, ist für die EU ein Irrweg. Tiago Cardão-Pito